Brautkleid zu verkaufen, neu und ungetragen: Über eine ungewöhnliche Anzeige.
Im Internet gibt es viel zu kaufen – auch ungetragene Brautkleider. Dahinter stecken Geschichten, manchmal tragisch, manchmal mit glücklichem Ende.
DÜSSELDORF Für viele Frauen ist es das wichtigste Kleidungsstück ihres Lebens: das Brautkleid. Auch Martina Schüller aus Lindlar, die eigentlich anders heißt, hatte sich für ihre Hochzeit im vergangenen Jahr ein „absolutes Traumkleid“ausgesucht, wie die 29-Jährige sagt. Nicht zu ausladend, aber mit viel Spitze, Tüll und einer kleinen Schleppe. Mit der Mutter und den beiden Schwestern ging es im Winter auf die Suche, die Hochzeit war für August geplant. Doch es kam anders: Schüller trennte sich nur wenige Wochen vor dem Fest von ihrem Verlobten, die Hochzeit wurde abgesagt. Das Kleid hängt bis heute im Schrank. Jetzt will Schüller es im Internet verkaufen – und ist damit nicht die Einzige.
Auf Verkaufsportalen finden sich unzählige Anzeigen mit ungetragenen Brautkleidern. Die Geschichte dahinter wird darin meist nicht verraten. Die Autorin Hannah Winkler aus Hannover hat bei den Verkäuferinnen nachgefragt, warum sie ihr Kleid ungetragen verkaufen. Aus ihren Erzählungen ist ein Buch geworden: „Verkaufe Brautkleid, ungetragen“erscheint am 25. April. Die Idee kam der 32-Jährigen bei der Suche nach ihrem eigenen Hochzeitskleid. „Ich wollte nicht zu viel Geld ausge- ben und trotzdem etwas Besonderes“, sagt Winkler. Deshalb habe sie bei Second Hand-Portalen im Internet geschaut – und Tausende Anzeigen gefunden. Rund 2000 der Verkäuferinnen kontaktierte Winkler, mit mehr als 100 führte sie Gespräche. Zwölf Geschichten werden nun veröffentlicht. Sie wolle eine Welt zeigen, „die in dem sonst so heilen, glatten Hochzeitszirkus keinen Platz findet“, schreibt die Autorin.
Viele der Geschichten handeln denn auch von zerbrochenen Träumen, vom Verlassenwerden etwa oder davon, dass der Verlobte kurz vor dem großen Tag an Krebs erkrankt und schließlich stirbt. Doch es sind auch optimistische Geschichten dabei. Zum Beispiel die von Demet aus Köln, die es schaffte, vor der Hochzeit ihren von der Familie gewünschten gewalttätigen Verlobten zu verlassen. Oder die von Julia, die zwar keine pompöse Hochzeit feierte, mit ihrem Mann aber inzwischen eine Familie gegründet hat. Winkler kombiniert die Geschichten der Frauen mit ihrer eigenen: dem Antrag, den Festvorbereitungen, der Suche nach dem perfekten Kleid.
„Für viele Frauen ist das Brautkleid das wichtigste Kleidungsstück im Leben“, sagt die Autorin. Mit entsprechend viel Aufwand wird dieses heutzutage oft ausgewählt. „Es muss zur Braut passen, ihre Schönheit unterstreichen und ihr das Gefühl von Sicherheit geben“, schreibt Winkler. Spezialgeschäfte bieten Anprobetermine mit Sektausschank an, und in der Vox-Sendung „Zwischen Tüll und Tränen“wird der Kauf mit viel Pomp und Drama inszeniert. An die aufregenden Hochzeitsvorbereitungen kann sich auch Martina Schüller gut erinnern. Siebeneinhalb Jahre waren sie und Marc ein Paar. Die Hochzeit sollte ihre Liebe krönen, ein großes Fest mit 100 Gästen war geplant. Doch auf einer Australienreise kamen die Zweifel, erzählt die 29-Jährige. „Ich habe Marc gar nicht richtig vermisst, und wenn ich an unsere anstehende Hochzeit dachte, habe ich keine Euphorie gespürt.“Zuerst dachte sie, das sei nur eine Phase – doch auch zu Hause wurde es nicht besser. Im Gegenteil: „Alles fühlte sich falsch an“, sagt Schüller, „eine schreckliche Zeit.“Ihr Verlobter habe das natürlich gemerkt – und gekämpft. Doch im Juli stand für Schüller fest: Es geht nicht mehr. Sie zog zu ihren Eltern, die Hochzeit wurde abgesagt.
Letztlich, sagt sie, habe der Druck der bevorstehenden Feier sogar bei der Entscheidung geholfen. „Sonst hätte sich das vielleicht noch länger hingezogen.“Den Gästen Bescheid zu geben, sei unangenehm gewesen, aber ihre Familie habe sie dabei unterstützt. „Für mich war es die absolut richtige Entscheidung“, sagt Schüller. Mit dem Verkauf des Kleides wartete sie trotzdem noch ein paar Monate ab – ihrem Ex-Freund zuliebe. Manche Frauen gehen sogar noch weiter: Sie verbrennen oder zerstören ihre Kleider. Nicht selten lassen sie sich dabei professionell fotografieren, bei sogenannten Trash-the-Dress-Shootings.
Das kam für Schüller nicht in Frage. Schließlich hat das Kleid viel Geld gekostet. 1400 Euro möchte sie jetzt noch dafür haben, der Preis ist Verhandlungssache. Für ihr Kleid hat sie bis jetzt noch keine Käuferin gefunden – zufrieden ist die 29-Jährige trotzdem. Sie wohnt wieder in einer eigenen Wohnung, ist Single – „und glücklich wie lange nicht“.