Rheinische Post

Gegen den Trend

1968 eröffnete Hella Wolter ihre Boutique Bonnie. Von der Oststraße zog sie erst ins Trinkaus-Center und später dann an die Hohestraße. Die heute 76-Jährige versuchte immer ein bisschen anders zu sein – und hatte damit Erfolg.

- VON NICOLE KAMPE

CARLSTADT Unzählige Male muss sie das Heft durchgeblä­ttert, es Freunden gezeigt haben, manche Seiten haben Eselsohren, andere sind eingerisse­n. Der Umschlag des Magazins hält längst nicht mehr an den übrigen Blättern, und trotzdem hat Hella Wolter die Ausgabe behalten, obwohl sie nur ungern Dinge behält. Es ist eine Ausgabe des Stern, von 1971. Das Cover ist schwarzwei­ß, eine Mode-Reportage wird darauf angekündig­t. Und irgendwo mittendrin ist da dieses Bild, so groß wie eine Briefmarke, Bonnie steht darunter geschriebe­n, Bonnie ist darauf zu sehen – die Boutique von Hella Wolter, und Hella Wolter selbst natürlich, wie sie keck posiert vor dem Eingang – jung, frech und mit wilder Mähne, so wie sie Farrah Fawcett damals trug.

Drei Jahre zuvor hatte Hella Wolter ihre Boutique eröffnet, 1968 an der Oststraße, „die mal sehr schön war mit den Antiquität­en-Läden“, sagt die heute 76-Jährige, „die es aber nicht mehr ist“. Ganz unbedarft ist Wolter damals gewesen, jugendlich­er Leichtsinn würde sie es heute nennen, als sie entschied, Mode zu verkaufen. Ihr Vater war im Krieg gefallen, die Mutter wollte eine gute Zukunft für das Kind – stolz war die Mutter, als Hella Wolter ihre Lehre bei der Commerzban­k machte, die nicht ganz glücklich war, so dass Wolter danach in eine Werbeagent­ur wechselte. „Da war es wild“, sagt Wolter, ein bisschen zu wild, zu viele Partys, „da floss das dicke Geld“, erinnert sich die 76-Jährge. Einen kurzen Abstecher machte Hella Wolter in den Eisen- und Stahlhande­l, bevor sie den Laden aufmachte.

Eine Weile hat es gedauert, bis die Mutter zum ersten Mal an der Oststraße vorbeischa­ute; längst hatte sich Hella Wolter einen Namen gemacht im Viertel, weil sie nie mit dem Trend ging, auf japanische­s Design setzte, als ganz Düsseldorf italienisc­hes wollte, weite Hosen im Sortiment hatte, als Röhren in waren und bunte Blusen und Pullover in den Schaufenst­ern dekorierte, als die Frauen schlichte Mode suchten.

Bald vergrößert­e sie das Geschäft, zog schließlic­h in die Innenstadt, als das Trinkaus-Center gebaut wurde, die Adresse war die Königsalle­e. 26 Jahre ist sie dort gewesen, bis die Miete stieg, bis Wolter das nicht mehr bezahlen wollte. Vielleicht hätte sie es sich leisten können, „aber ich war die älteste Mieterin“, sagt sie. Ihr ging es ums Prinzip. Die Lage aber vermisst Wolter, die 2001 an die Hohestraße wechselte, die damals nicht bedachte, dass die Menschen beim Carlsplatz Halt machen und nicht mehr weitergehe­n. „Eine total schlechte Entscheidu­ng ist das gewesen“, sagt Wolter, die von Stammkunde­n lebt, die Termine vereinbart, um sich auch wirklich viel Zeit zu nehmen, die fünf bis sechs Mal im Jahr ihre treuesten Kunden (400!) anschreibt – nicht per Mail, sondern per Postkarte, „wer schreibt denn heute noch Postkarten?“, fragt sie.

Bereut hat Hella Wolter aber nie, in die Modewelt gegangen zu sein. „Ich habe viele nette Kontakte geknüpft“, sagt sie. Einmal ist Brooke Shields da gewesen, mit einer großen Entourage, erkannt hat Wolter die Schauspiel­erin nicht, „eine Mitarbeite­rin hat es mir zugeflüste­rt“. Mario Adorf hat seine Frau begleitet, „der ist aber klein“, sagt Wolter, die Tochter von Bertolt Brecht soll in der Boutique Bonnie eingekauft haben, „ich habe nie gefragt, wie sie auf mich gekommen ist“, sagt die 76-Jährige. „In Ost-Berlin hat sie damals noch gelebt, und sie gab im- mer Trinkgeld.“Daran musste sich Wolter gewöhnen, „das war bei uns ja nicht so“, sagt sie. Ein besonderes Erlebnis hatte Wolter mit einer Grande Dame der Düsseldorf­er Gesellscha­ft – jahrelang hat die Frau eingekauft in der Bonnie Boutique. „Eines Tages entdeckte sie meinen Flipper, der schon ewig dort stand. Sie stellte mich vor die Wahl: ,Entweder ich oder der Flipper’“, erzählt Wolter. Der Flipper ist geblieben – übrigens steht er noch heute am Eingang des Ladens. Die Frau hat Wolter nie mehr gesehen.

Es sind diese Geschichte­n, die Hella Wolter erlebt hat in den letzten 50 Jahren, Geschichte­n, die Wolter auch noch erleben will, so lange wie sie es eben noch kann. Sie will den Jungen Mut machen, „nicht das zu tun, was alle tun“, sagt Wolter, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Fit dafür fühlt sich Hella Wolter. Auch wenn sie ein Langschläf­er ist, steht die 76-Jährige zeitig auf, jeden Morgen meditiert sie 20 Minuten, geht dann schwimmen, „für den Rücken“, sagt Wolter, die nie geheiratet hat, die kein Make-up trägt, dafür immer knallroten Lippenstif­t aufträgt und passend dazu einen Nagellack.

Man muss sich reindenken, sagt Hella Wolter, sich genug Zeit nehmen für die Kunden, sich trauen. Dann bleibt man auch 50 Jahre lang dabei.

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Bei Hella Wolter geht es farbenfroh zu: Blumen, sie mag Blumen, Muster und Prints. Sie trägt selbst aber auch gern mal etwas Schlichtes.
 ??  ?? Als Wolter eröffnete, war sie mit ihrer Boutique noch an der Oststraße.
Als Wolter eröffnete, war sie mit ihrer Boutique noch an der Oststraße.
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Hella Wolter hat die Ausgabe des Stern aufgehoben.

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