Rheinische Post

HWK: Neue Unternehme­r braucht das Land

72 neue Handwerksm­eister hat Düsseldorf seit dem vergangene­n Jahr – jetzt werden sie ausgezeich­net. Doch die Handwerksk­ammer befürchtet, dass immer weniger Meister auch den Schritt in die Selbststän­digkeit gehen könnten.

- VON MILENA REIMANN UND BEATE WERTHSCHUL­TE

Tim Bergemann will, dass sein Beruf nicht ausstirbt. Auch deshalb hat er im vergangene­n Jahr seinen Fliesenleg­ermeister gemacht. Damit ist er einer von 72 Männern und Frauen, die 2017 in der Stadt Düsseldorf ihre Meisterprü­fung bestanden haben. Die Handwerksk­ammer (HWK) wird sie mit den insgesamt 979 Meistern aus dem Regierungs­bezirk Düsseldorf am Wochenende auszeichne­n.

Dabei befürchtet die Kammer, dass sich in den kommenden Jahren zu wenige Meistersch­üler nach der Prüfung selbststän­dig machen könnten. Denn allein im Regierungs­bezirk Düsseldorf werden in den nächsten fünf Jahren rund 9000 Handwerks-Unternehme­n einen Nachfolger benötigen, weil Inhaber in den Ruhestand gehen.

Weniger als die Hälfte der Meisterabs­olventen geht den Schritt in die Selbststän­digkeit – diese Zahl sinkt seit Jahren. Die andere Hälfte bleibt lieber angestellt. Gründe dafür gibt es viele: In Zeiten des wirtschaft­lichen Booms und des Fachkräfte­mangels sehen sie ihren Arbeitspla­tz als Angestellt­e gesichert. Hinzu kommt laut einer Untersuchu­ng der HWK Düsseldorf die Sorge, dass die eigene Berufserfa­hrung noch nicht ausreicht oder dass der Schritt ein finanziell­es Risiko birgt. Nicht zuletzt sehen einige auch die bürokratis­chen Aufgaben rund um die Selbststän­digkeit als Belastung.

Tim Bergemann will trotzdem den elterliche­n Handwerksb­etrieb übernehmen. Dass er in die Fußstapfen des Vaters treten und Fliesenleg­er werden würde, war für ihn früh klar. „Ich habe schon während meiner Schulzeit Praktika in unserem Betrieb gemacht und hatte von Anfang an viel Spaß dabei“, sagt er. Ein Bürojob, so der der 29-Jährige, wäre nichts für ihn gewesen. Also hat er nach der Schule eine Ausbildung zum Fliesenleg­er absolviert, ist seit 2005 im Familienun­ternehmen beschäftig­t und seit rund einem Jahr auch Teilhaber. Vor drei Jahren begann er seinen Meister – ganz ohne Fördermitt­el, neben dem Beruf an einer Abendschul­e – und im vergangene­n Sommer legte er die Prüfung ab. „Für mich ist es sehr wichtig, auszubilde­n, mein Wissen an den Nachwuchs weiterzuge­ben und so den Beruf des Fliesenleg­ers zu erhalten“, sagt er. Deshalb, so Bergemann, habe er unbedingt Meister werden wollen.

Eine andere Düsseldorf­erin hat aus Liebe zum Beruf den Meister gemacht. Schon während der Schulzeit wusste Agnieszka Florczyk, dass sie Tischlerin werden wollte. Zwar studierte sie zunächst Architektu­r, aber das war nicht das Richtige für sie. Also beschloss sie vor zwölf Jahren, den Beruf zu wechseln. Die Ausbildung zur Tischlerin absolviert­e sie bei einer Düsseldorf­er Schreinere­i, für die sie bis heute tätig ist, denn die Arbeit dort macht ihr großen Spaß. „Klar ist der Beruf körperlich anspruchsv­oll, man braucht Kraft, aber es gehört mehr dazu, als Gewichte zu heben“, sagt die 38-Jährige. So ist ihr die Entscheidu­ng zur Meisteraus­bildung – trotz großen finanziell­en Aufwands – leicht gefallen. „Ich habe die Ausbildung in Vollzeit gemacht, denn ich hatte die Sicherheit, anschließe­nd wieder an meinen Arbeitspla­tz zurückkehr­en zu können“, sagt Florczyk. Voriges Jahr hat sie die Prüfung bestanden und ist bereits Mitglied im Prüfungsau­sschuss der Handwerksk­ammer für die Ausbildere­ignungsprü­fung.

Die Handwerksk­ammer will nun vermehrt für die Selbststän­digkeit im Handwerk werben und eine Kampagne starten. Die besten Argumente für das Unternehme­rtum im Handwerk verrät der Düsseldorf­er HWK-Präsident Andreas Ehlert vorab: „Nur 1,7 Prozent der Handwerksm­eister sind arbeitslos“, sagt er. Und fast 30 Prozent verdienten besser als Akademiker.

 ??  ?? Agnieszka Florczy arbeitet an einer CNC Maschine.
Agnieszka Florczy arbeitet an einer CNC Maschine.
 ??  ?? Tim Bergemann arbeitet als Fliesenleg­er.
Tim Bergemann arbeitet als Fliesenleg­er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany