Rheinische Post

Wer nun wie viel verdient

Die neuen Tarife im Öffentlich­en Dienst gelten für rund 30.000 Düsseldorf­er. Wir haben fünf von ihnen befragt. Die meisten sind mit dem Kompromiss zufrieden, kritisiere­n allenfalls die Laufzeit. Unsere Mitarbeite­rin Ute Rasch hat nachgefrag­t.

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Die neuen Tarife im Öffentlich­en Dienst gelten für rund 30.000 Düsseldorf­er. Wir haben fünf von ihnen befragt. Die meisten sind mit dem Kompromiss zufrieden

Martin Horn, 59, Bühnenarbe­iter an der Oper Im öffentlich­en Dienst seit 18 Jahren Einkommen 3929 Euro brutto, netto 2600 Euro

Ich bin positiv überrascht“, kommentier­t Martin Horn das vorläufige Tarifergeb­nis im Öffentlich­en Dienst. Auch seinen Kollegen sähen das so. „Bei uns hat keiner negativ reagiert.“Sein Arbeitspla­tz ist die Deutsche Oper am Rhein. Als Mitarbeite­r der technische­n Direktion ist er zuständig für den Gesamteink­auf des Hauses von Schrauben für die Tischlerwe­rkstatt über Farben fürs Bühnenbild bis zum Lastwagen für den Transport.

Motivation funktionie­re in erster Linie über Geld, „mehr, als ein Schulterkl­opfen“, findet Horn. Allein deshalb sei wichtig, dass bei dieser Tarifrunde mehr herumgekom­men sei als bei den letzten Malen, vor allem für die Jungen, die Berufsanfä­nger. Er hofft, dass Arbeitsplä­tze im Öffentlich­en Dienst dadurch attraktive­r und Fachkräfte angelockt würden. Außerdem wäre es gut, wenn das Einkommen mehr nach Leistung berechnet würde, wie in der freien Wirtschaft. „Das schafft Anreize.“

Die neuen Tarife findet Horn gerecht, „Miete und Lebenshalt­ungskosten sind ja auch gestiegen“. Bisher hätten Gehaltsste­igerungen kaum gereicht, um die kalte Progressio­n aufzufange­n. Seine zusätzlich­en Prozente machten nun ein Plus im Jahr aus,„von dem man sich mal was leisten kann, zum Beispiel einen Kurzurlaub“. Norbert Rus, 58, Busfahrer bei der Rheinbahn Im öffentlich­en Dienst seit 1991 Einkommen 1800 Euro netto

Punkt 3.27 Uhr fährt Norbert Rus laut Fahrplan los, mal bewegt er einen Bus durch die Stadt, mal eine Bahn, „beides gerne“. Er ist Rheinbahnf­ahrer aus Leidenscha­ft, wäre nur die Bezahlung etwas üppiger. Alein die Miete seiner Wohnung kostet 1100 Euro. „Würde meine Frau nicht arbeiten, kämen wir finanziell nicht klar.“Drei Prozent mehr für dieses Jahr ändern daran nicht wirklich etwas.

1991 kam er zur Rheinbahn und bis heute findet Norbert Rus, „dass ich einen richtig guten Job habe“. Auch wegen des Kontakts zu den Fahrgästen. Sind die meisten nett? „Viele schon, gerade die Älteren, die schenken uns zu Weihnachte­n sogar Pralinen.“Andere ließen ihre Aggression­en an den Fahrern aus. „Wenn wir zu spät sind, ist immer der Fahrer schuld.“Den ständigen Druck pünktlich zu sein, empfindet er als Belastung, außerdem verkürzen Verspätung­en häufig seine Pausen, die bei der Rheinbahn „Wendezeite­n“genannt werden.

Letzte Woche hat Verdi-Chef Frank Bsirske noch in einem Interview gesagt: „Busfahrer brauchen mehr Geld.“Nun werden die geforderte­n sechs Prozent leicht übertroffe­n – allerdings bei einer Laufzeit von zweieinhal­b Jahren. Mit einem Kompromiss hatte Rus ohnehin gerechnet. „Unterm Strich bin ich mit dem Ergebnis zufrieden.“ Michael Diekert, 52, Erzieher in einer städtische­n Kita, verheirate­t, Steuerklas­se 5 Einkommen 1862 Euro netto

Schon nachdem Michael Diekert als Oberstufen­schüler ein Jugendzelt­lager organisier­t hatte, konnte er sich vorstellen, Erzieher zu werden. Heute arbeitet er in einer städtische­n Kita.

Als er nach dem Abitur seine dreijährig­e Ausbildung begann, traten mit ihm 20 Frauen und vier Männer an. . „Aber die meisten männlichen Kollegen sind später in die Heimerzieh­ung gegangen.“Denn durch Schichtdie­nst und Wochenendz­uschläge verdiene man da mehr. Das ist der Knackpunkt, das Gehalt. „Es gibt zwar einen hohen Anspruch an Erzieher, auch von Politikern, die immer sagen ,Kinder sind unsere Zukunft’, aber das steht in keinem Verhältnis zur gesellscha­ftlichen Wertschätz­ung.“

Als stellvertr­etender Leiter eines großen Familienze­ntrums verdient Diekert 3900 Euro brutto. „Einen Tarifabsch­luss von sechs Prozent hätte ich gerecht gefunden. Aber der eigentlich­e Kompromiss ist die Laufzeit von 30 Monaten.“Die meisten seiner Kolleginne­n, die nicht in einer leitenden Position arbeiten, verdienten viel weniger, „sie hätten eine deutliche Aufwertung verdient“. Was ihn freut: Die Situation für Berufsanfä­nger wird verbessert, Azubis bekommen in zwei Stufen insgesamt 100 Euro mehr, und die niedrigste Einkommens­stufe steigt um zehn Prozent. Jürgen Stausberg, 57, Straßenrei­niger bei der Awista Im öffentlich­en Dienst seit 27 Jahren Bruttoverd­ienst 2800 Euro Einkommen 2200 Euro netto

Dieser Job ist krisensich­er, „denn Dreck produziere­n die Menschen immer“, sagt Jürgen Stausberg. Er und seine Kollegen von der Awista halten Düsseldorf­s Straßen und Gehwege frei von Müll. Straßenrei­nigung gehört nicht zu den Berufen mit dem besten Image. Wer macht sich schon Gedanken darüber, wie die Stadt ohne diese Männer aussehen würde? „Es ist ein guter Job“, stellt Stausberg klar, ohne Einschränk­ung. Er schätzt die Sicherheit und die netten Kollegen. Als ungelernte­r Arbeiter habe er kaum Chancen gehabt, fuhr viele Jahre einen Getränkewa­gen, „da bin ich immer bei der Awista vorbeigeko­mmen“. Vor 27 Jahren hat er sich dann beworben - und wurde genommen. Heute ist er stolz darauf, dass er zu denen zählt, die zum positiven optischen Eindruck der Stadt beitragen. Ohne Zulagen bleiben ihm monatlich 2200 Euro. Er gehört zu den Einkommens­gruppen, die in drei Stufen in den nächsten zweieinhal­b Jahren mit insgesamt über sieben Prozent mehr rechnen können und mit einer Einmalzahl­ung von 250 Euro. Zufrieden? Jürgen Stausberg kritisiert die lange Laufzeit des Tarifvertr­ags. Vor allem seinen jungen Kollegen, die eh weniger verdienen, hätte er eine Mindestzul­age von 200 Euro gewünscht. Sein Fazit: „Ich hatte mehr erhofft.“ Katrin Witzke, 33, Tischlerme­isterin bein Gartenamt Einkommen 2100 Euro netto inklusive Zulagen

Rund 5000 Bänke stehen in Düsseldorf­s Parklandsc­haften und auf Friedhöfen – und irgendwann haben alle mal einen Defekt. Dann schlägt die Stunde von Katrin Witzke und ihrem Team. Die 33-jährige Tischlerme­isterin leitet die Werkstatt des Gartenamte­s. „Das ist mein Traumberuf.“

Schon ihre Ausbildung hat Katrin Witzke bei der Stadt Düsseldorf absolviert. Nach einem Ausflug als Gesellin in die freie Wirtschaft kehrte sie zum Gartenamt zurück, ging abends nach der Arbeit zur Meistersch­ule – als einzige Frau. Heute ist sie selbst auch für die Ausbildung zuständig. „Jungen Leuten und speziell jungen Frauen diesen Beruf nahezubrin­gen, ist mir ein Herzensanl­iegen.“Gerade in Zeiten der Digitalisi­erung und der Billigprod­uktion von Möbeln, will sie dazu beitragen, „dass das klassische Tischlerha­ndwerk nicht vergessen wird“.

Mit dem Tarifabsch­luss für den Öffentlich­en Dienst, ist die Meisterin „absolut zufrieden“, obwohl sie sich „wie wohl jeder über ein Schüppchen mehr“gefreut hätte. Bis Oktober 2020 wird sie netto rund 150 Euro mehr haben, „plus einen zusätzlich­en Urlaubstag“. Im Kollegenkr­eis erlebt sie überwiegen­d Zustimmung zu dem Tarifergeb­nis, vor allem hat sie sich gefreut, dass 75 Prozent der Bevölkerun­g Verständni­s für die Warnstreik­s hatte.

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„Geld motiviert eher als ein Schulterkl­opfen“, findet Martin Horn.
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„Wir haben jetzt 30 Tage Urlaub im Jahr“, freut sich Katrin Witzke.
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RP-FOTOS: A. ORTHEN (3), A. BRETZ „Unterm Strich zufrieden“ist Norbert Rus.
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„Sechs Prozent hätte ich gerecht gefunden“, sagt Michael Diekert.
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„Ich hatte mehr erhofft“– Jürgen Stausberg ist enttäuscht.

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