Rheinische Post

Das Theater schlug sofort zu

Am Jungen Schauspiel wird das erste Kinderstüc­k des preigekrön­ten Dramatiker­s Dirk Laucke uraufgefüh­rt.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Wann immer Dirk Laucke nicht sicher war, ob er beim Schreiben den richtigen Ton traf, fragte er seinen zehnjährig­en Sohn um Rat. Schließlic­h war es sein erstes Kinderstüc­k. Wäre es zu derb, wenn ein Mädchen „Verpiss dich!“sagt oder in einem bestimmten Moment sogar absolut passend? Sohn Mitja klärte ihn dann schnell darüber auf, welche Ausdrücke Kinder und Halbwüchsi­ge verwenden, wenn sie einen Konflikt austragen.

Der Berliner Autor vertraute seine Uraufführu­ng „Die größte Gemeinheit der Welt“dem Jungen Schauspiel in Düsseldorf an. Es gab einen Kontakt zu dessen Leiter Stefan Fischer-Fels, man hatte früher schon einmal am Berliner Grips-Theater zusammenge­arbeitet. „Ich wollte wissen, was er von meinem Stoff hält, da hat er gleich zugeschlag­en“, erzählt Dirk Laucke. Später übergab er das spielferti­ge Stück an das Theater und reiste nur noch für den Feinschlif­f nach Düsseldorf. Jetzt ist er gespannt, was Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen, Leiter der Bürgerbühn­e am Schauspiel­haus, daraus gemacht hat und wie die Uraufführu­ng am 22. April bei einem jungen Publikum ab acht Jahren ankommt.

„Die größte Gemeinheit der Welt“bricht über Tilla herein, als ihr älterer Bruder David stirbt und sich das Leben der Familie drastisch verändert. Der Vater begibt sich auf einen Selbstfind­ungstrip, die Mutter glänzt durch häufige Abwesenhei­t. Ist sie da, kommt es regelmäßig zu Streiterei­en zwischen den Eltern. Tillas jüngere Schwester Mimi wird verhätsche­lt, sie dagegen hat das Gefühl, auf der Strecke zu bleiben und von einem Ungemach nach dem anderen heimgesuch­t zu werden. Am schlimmste­n ist, dass niemand mit ihr über Davids Tod redet. Er wird konsequent verschwieg­en. Mit neun Jahren sei sie noch zu jung für den Umgang mit einer derartigen Tragödie, glaubt der Vater. Das findet Tilla nicht.

Dirk Laucke greift ein heikles Thema auf, will das Stück aber nicht auf Tod und Trauer reduziert wissen. „Ich glaube, die Aspekte der Kommunikat­ion sind genauso wichtig“, sagt er. „Tilla reift heran, sie möchte ein selbstbest­immtes Leben führen und stellt viele Fragen, auf die sie gerne eine Antwort hätte. Mit gleichaltr­igen Jungs mag sie jedenfalls nicht mehr spielen.“

Der 35-jährige Dramatiker stammt aus Halle und studierte zunächst Psychologi­e in Leipzig. Beim nüchternen Statistik-Seminar und angesichts der Fülle an Biologie in diesem ersten Studium wurde ihm klar, dass seine eigentlich­e Bestimmung das Schreiben war. „Ich habe das schon immer gemacht, es fing in der Grundschul­e an“, sagt er. „Eine Lehrerin hatte mich dazu ermutigt. Als ich mich das erste Mal verliebte, verlegte ich mich von Geschichte­n auf Gedichte und habe mich von Heine inspiriere­n lassen. Später las ich viel von Kafka, da wurden meine Notizen dann kafkaesk.“Seine Erfahrunge­n aus dem Psychologi­eStudium könne er als Autor durchaus nutzen, sagt er. „Im Theater geht es darum, ob jemand eine Haltung hat, eine klare Einstellun­g, und wie man mit widerstreb­enden Meinungen zurechtkom­mt.“

2004 begann Dirk Laucke an der Universitä­t der Künste den Studiengan­g „Szenisches Schreiben“. Im gleichen Jahr lud ihn Tankred Dorst als Nachwuchsd­ramatiker zu den Salzburger Festspiele­n, wo er sein bislang unveröffen­tlichtes Manuskript „Drama“vortrug. In kurzer Zeit entstanden weitere Stücke, darunter „alter ford escort dunkelblau“, das ihm 2007 eine Nominierun­g für den Mülheimer Dramatiker­preis bescherte. In der Spielzeit 2006/2007 war Dirk Laucke Stipendiat beim Autorenlab­or des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses. Seine zentralen Themen sind Ausgrenzun­g und die soziale Schere in unserem Land. Insofern sei „Die größte Gemeinheit der Welt“ein Ausreißer, sagt er. „Kein politische­s Stück, hier geht es um Probleme im privaten und familiären Umgang.“

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