Rheinische Post

Die Marathon-Szene boomt, aber es fehlt ein Star. Eine wie Gesa Krause.

Wie in Düsseldorf am Sonntag lockt viele Deutsche das Abenteuer Marathon. Was der Szene fehlt, ist ein echtes Zugpferd. Gesa Krause könnte es auf lange Sicht werden.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Lange schienen die Herausford­erungen im Leben eines Mannes klar umrissen: einen Baum pflanzen, ein Haus bauen, einen Sohn zeugen – je, nach Lesart auch noch ein Buch schreiben, sagt der Volksmund. Doch in Stein gemeißelt ist das heute nicht mehr. Heute kann man eher den Eindruck gewinnen, dass zumindest eine Aufgabe dazugekomm­en ist: einmal im Leben einen Marathon laufen. Und das gilt längst nicht nur für Männer. Frauen sind gleicherma­ßen infiziert vom Langstreck­en-Virus. 42,195 Kilometer – das sind für immer mehr Menschen die Maße, die glücklich machen. Rund 4000 gehen für dieses Ziel am Sonntag in Düsseldorf an den Start.

„Es ist eine Sache fürs Ego, nicht für die Gesundheit. Der Marathon ist für viele eines der letzten großen Abenteuer, die man sich vornimmt. Man kann sich vieles kaufen im Leben, aber das Gefühl, einen Mara- thon absolviert zu haben, eben nicht“, sagt Jan Fitschen. Der 40Jährige wurde 2006 in Helsinki Europameis­ter über 10.000 Meter, lief 2011 in Düsseldorf seinen ersten Marathon und kann eine Bestzeit von 2:13:10 Stunden vorweisen. Am Sonntag kommentier­t er Live-Bilder von der Strecke.

Doch so sehr der Marathon in Deutschlan­d boomt, so sehr wartet die Szene auf einen, der in die Rolle eines echten Zugpferdes schlüpft. Arne Gabius (37) hält den deutschen Rekord (2:08:33), aber er vermag keinen Star-Rummel um sich herum zu entfalten. Niemand erwartet ernsthaft, dass ein Deutscher oder eine Deutsche Weltmeiste­r oder Olympiasie­ger wird oder wie Uta Pippig in den frühen 1990er Jahren die Marathon-Läufe in Boston, New York oder Berlin gewinnt. Aber auf europäisch­er Ebene mal wieder einen Helden zu stellen, klingt allgemein nicht zu vermessen.

Aha-Erfolge liegen ein wenig zurück: 2006 wurde in Susanne Maisch letztmals eine Deutsche Europameis­terin. Waldemar Czierpinsk­i holte 1976 und 1980 Olympia-Gold für die DDR, Stephan Freigang 1992 Bronze für Deutschlan­d. Katrin Dörre-Heinig kann Olympia-Bronze 1988 und WM-Bronze 1991 ihr Eigen nennen. Namen wie Carsten Eich oder Sonja Oberem sind manchem noch bekannt, Sabrina Mo- ckenhaupt ist in jedem Fall sehr populär. Doch dieser eine, alles in den Schatten stellende Name fehlt seit Pippig.

Deswegen wurden Anfang April auch viele hellhörig, als in Gesa Krause einer der aktuellen Stars der Stadion-Leichtathl­etik für den Halbmarath­on in Berlin meldete. Sollte sich da etwa ein zeitnaher Wechsel von den 3000 Metern Hindernis auf die Straße anbahnen? Schließlic­h heißt ihr Trainer Wolfgang Heinig – der Mann von Katrin Dörre-Heinig. Doch Krause bremst. „Wenn man an die Heinigs denkt, ist Marathon natürlich nicht weit. Wir scherzen schon, dass ich irgendwann mal bei der Marathondi­stanz lande“, sagt Krause, die in Berlin über 21 Kilometer in 1:12:16 Minuten Fünfte wurde. „Mittlerwei­le kann ich es auch gar nicht mehr ausschließ­en. Die nächsten Jahre werde ich aber auf der Bahn zu finden sein. Dafür mag ich das Laufen auf der Bahn viel zu gern.“

Fitschen verwundern solche Gedankensp­iele nicht. „Ich glaube, alle Läufer ab Mittelstre­cke aufwärts träumen davon, mal Marathon zu laufen“, sagt er. „Solange Gesa noch so erfolgreic­h ist über die Hinderniss­e, wäre es toll, wenn sie dabei bleibt. Ich glaube aber schon, dass Gesa früher oder später beim Straßenlau­f landet. Ich würde mir für die Stadion-Leichtathl­etik wün- schen, dass es noch ein bisschen dauert. Die Stadion-Leichtathl­etik braucht ja auch ihre Leuchttürm­e.“

Die EM in Berlin im August führt Stadion und Straßenlau­f zusammen. Für viele ambitionie­rte Marathonis ist das ein großer Anreiz, sich ein Startrecht zu sichern. „Olympiasie­ger zu werden, wird schwierig, aber überhaupt einmal den Adler auf der Brust tragen, ist für viele eine Riesenchan­ce“, sagt Gabius. Düsseldorf kürt am Sonntag auch die Deutschen Meister. Die Titel inklusive erfüllter EM-Norm garantiere­n einen Kaderplatz für Berlin – und so zumindest ein paar Tage Starrummel im August.

„Ich glaube schon, dass Gesa früher oder später beim Straßenlau­f landet“Jan Fitschen Europameis­ter 2006 „Wir scherzen schon darüber, dass ich irgendwann mal beim Marathon lande“ Gesa Felicitas Krause WM-Dritte 2015

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FOTO: IMAGO Gesa Krause vor ihrem Start beim Berliner Halbmarath­on am 8. April.

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