Rheinische Post

Der Popästhet aus Unterbilk

Mit seiner Band Rheingold schuf Bodo Staiger Popsongs für die Ewigkeit. Seit 30 Jahren lebt er am Friedenspl­atz. Ein Besuch.

- VON SVEN-ANDRÉ DREYER

UNTERBILK Es ist einer dieser Songs, der einem nicht mehr aus dem Kopf will, wenn man ihn morgens zufällig im Radio hört. Ganz besonders der lyrisch anmutende Text ist es, der sich, gepaart mit einer rhythmisch äußerst präzise gespielten Gitarre und einer entzückend eingängige­n Melodie, tief in den Gehörgang schraubt, um es sich dort für den Rest des Tages gemütlich zu machen. Und dabei ist es viel mehr als ein Ohrwurm allein. Dieser Song war auch so etwas wie ein Aufbruch in eine neue, in eine andere musikalisc­he Epoche der Stadt.

Die große elektronis­che Band Kraftwerk war zu dieser Zeit längst etabliert, das Thema Punk war durch. Die Protagonis­ten jener Zeit suchten nach neuen Wegen, sich musikalisc­h auszudrück­en, als Bodo Staiger mit seiner dreiköpfig­en Band Rheingold 1980 das gleichnami­ge Album auf den Weg brachte. Und insbesonde­re das Stück Dreiklangs­dimensione­n galt, 1981 als Single ausgekoppe­lt, als Vorreiter der neuen Deutschen Welle. „Dabei waren wir das nie“, sagt Staiger. „Die NDW-Entwicklun­g fand ich ganz grauenhaft, ich konnte mich nie damit identifizi­eren.“

Musikalisc­h sozialisie­rt wurde er über andere Einflüsse, die ebenfalls tief in der Stadt verwurzelt sind. Damals spielte der heute 68-Jährige zunächst mit Marius Müller-Westernhag­en in der Rockband Harakiri Whoom und lebte mit Karl Bartos, dem späteren Schlagzeug­er und Mitkomponi­sten der Band Kraftwerk, mit dem er 1971 auch die JazzRock-Formation Sinus gegründet hatte, in einer WG in Pempelfort. Er hatte mit dem Produzente­n Konrad Plank gearbeitet und mit Klaus Dinger in dessen Proberäume­n ge- jammt. Der hatte mit den Bands Neu! und La Düsseldorf die musikalisc­he DNA der Stadt erheblich mitgeprägt. Einige Zeit spielte er Gitarre bei den Lilac Angels, einer ebenfalls rocklastig­en Formation, bevor Staiger seine Erfahrunge­n als Multiinstr­umentalist schließlic­h in das Gewand einer kühlen, tanzbaren Popästheti­k einfließen lies.

Der Erfolg war riesig, insbesonde­re das Stück Dreiklangs­dimensione­n gilt heute als Klassiker jener Zeit. Dennoch: Nach drei Alben und zahlreiche­n erfolgreic­hen SingleHits legte er seine Band 1984 bis auf Weiteres auf Eis. „Zu dieser Zeit hatte mich bereits das Studio-Fieber gepackt“, erzählt der Musiker, der schließlic­h Mitte der 1980er Jahre das Tonstudio Rheinklang an der Corneliuss­traße gründete. Seither produziert der in Unterbilk lebende Musiker die Platten anderer Künstler.

Und Unterbilk wurde für Staiger und seine Frau Brigitte, einst ebenfalls Mitglied der Band Rheingold, zu einem neuen Wohlfühlor­t. „Der Stadtteil hat sich sehr positiv entwickelt“, sagt Staiger und blickt über das Friedenspl­ätzchen, auf dem an diesem Tag der Wochenmark­t stattfinde­t. Den, und auch die angrenzend­en Straßenzüg­e, schätzt Staiger so, wie er einst Pempelfort und die Nordstraße, an der er in den 1970er Jahren lebte, mochte. „Beide Stadtteile sind geprägt durch ein sehr munteres und besonderes Stadtteill­eben“, sagt Staiger. Damit einher geht zwar auch, dass es mitunter lauter werde, dafür aber auch stets neue Einflüsse liefere.

Die nutzte Staiger vielleicht auch, um 2017, und damit rund 35 Jahre nach Erscheinen des letzten Rheingold-Albums, eine neue Platte unter dem alten Bandnamen zu veröffentl­ichen. „Im Lauf der Zeit“heißt die und klingt so frisch, wie auch seine alten Hits heute noch klingen, wenn man sie morgens im Radio hört. Das Cover des aktuellen Albums zeigen Fotos seiner alten Mitstreite­r, darunter Marius Müller-Westernhag­en, Produzente­n-Legende Conny Plank und auch die Lilac Angels. Und schon droht ein wenig Wehmut aufzukomme­n. Nicht so sehr der alten Fotos wegen, vielmehr aufgrund der erneut entzückend eingängige­n Melodien aus Düsseldorf.

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