Der Zahlenkünstler hat sich verzählt
Kurioser Fund im Kunstpalast: Auf einem bedeutenden Gemälde ist ein Fehler versteckt. Mehr als 40 Jahre nach dem Kauf wurde er zufällig entdeckt – von Ulrich Lehner, dem ehemaligen Vorsitzenden der Geschäftsführung der Henkel AG.
Man muss schon sehr genau hinschauen, um den Fehler zu finden, der Felix Krämer gerade umtreibt. Der Direktor des Museums Kunstpalast hat schon einige Kollegen angefragt – und bis jetzt hat er den Eindruck, dass sein Museum ein einzigartiges Kuriosum besitzt: Der Künstler Roman Opalka (1931-2011), der für seine Zahlenkolonnen weltberühmt war, hat sich auf einem in Düsseldorfs Sammlung befindlichen Bild verzählt. Auf dem Kunstwerk, das aus einer endlosen Reihe kleiner, handschriftlich aufgetragener Zahlen besteht, fehlt nämlich eine Ziffer: Zwischen den Zahlen 627008 und 627010 hat Opalka die Nummer 627009 vergessen – was jetzt erst einem prominenten Kunstfreund auffiel.
Der polnischfranzösische Künstler Opalka hatte im Jahr 1965 seine lebenslang erweiterte Serie von Bildern begonnen, auf denen er mit Ölfarbe ausschließlich fortlaufende Zahlenreihen schrieb. Jeden Tag fotografierte er sich vor dem Werk. Später zeichnete er sich auch dabei auf, wie er die jeweilige Zahl sprach. Über Jahrzehnte setzte er diese Arbeit fort, kam in den Millionenbereich – und gehört heute zu den Klassikern des 20. Jahrhunderts. Opalkas Werke sind in vielen großen Museen vertreten und erreichen bei Versteigerungen Millionenbeträge.
Der Kunstpalast, Düsseldorfs größtes städtisches Kunsthaus, hatte 1977 das Werk aus dem Anfangsjahr der Serie angeschafft. Es umfasst den Zahlenraum von 612464 bis 638092 – und die fehlende Zahl blieb über Jahrzehnte unbemerkt.
Das änderte sich erst jetzt bei der Eröffnung der aktuellen Ausstellung „Black & White“, in der auch das in Grautönen gehaltene Werk zu sehen ist. Der Finder war ausgerechnet ein Mann, dem nachgesagt wird, dass er auch in ellenlangen Geschäftsberichten auf die einzige falsche Zahl stößt: Ulrich Lehner, ehemaliger Vorsitzender der Geschäftsführung von Henkel und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Telekom und von ThyssenKrupp. Der Manager hat Opalka sogar einmal kennen gelernt und erinnert sich an einen strengen und nachdenklichen Künstler. Lehner fragt sich, ob Opalka den Fehler vielleicht sogar absichtlich gemalt hat – und vermutet, dass er auch bei einem Irrtum gelassen geblieben wäre. „Er hätte gesagt: ,So ist das Leben’“, meint Lehner. Museumsdirektor Krämer will nun weiter nachforschen, ob es andere Opalka-Fehler gibt. Klar ist: Eine Korrektur des Werks verbittet sich – selbst wenn der Zahlenkünstler vielleicht doch ärgerlich über den Fehler gewesen wäre.