Abwarten und Tee trinken
Mitten im Bahnhofsviertel haben Motoko Dobashi und Anna Friedel ANMO Art/Cha eröffnet, eine Kombination aus Teeladen und Kunst-Galerie. Die Tees sind ansonsten auf dem europäischen Kontinent nur schwer zu bekommen.
MITTE Mit Betreten des hellen Ladenlokals setzt schlagartig Entschleunigung ein. Eine entspannte Heiterkeit liegt über der Szenerie. So wie man sie nur dort findet, wo Menschen ihrer Leidenschaft nachgehen. Wo es nicht in erster Linie um Profit geht. Sondern darum, etwas zu tun, was man gerne tut. Friedel ist ins Gespräch mit zwei jungen Kundinnen vertieft. Vorsichtig wickelt sie deren Einkäufe in Papier ein.
Dobashi sitzt an einem Tisch und bereitet Tee zu. Mit geschmeidigen Bewegungen gießt die Japanerin heißes Wasser aus einer gusseisernen Kanne, dem sogenannten Tetsubin, auf die getrockneten Blätter. „Aus dem Tetsubin gelangen Eisenpartikel ins Wasser“, erklärt die 42Jährige. „Dadurch schmeckt der Tee weniger bitter.“Dobashi weiß genau, wovon sie spricht. Bereits als junge Frau wurde sie in ihrer Heimat in die Geheimnisse der Senchado-Zeremonie eingeweiht. Auch Friedel interessierte sich schon früh für die Heilwirkung von Tee.
Gekreuzt haben sich die Wege der beiden Tee-Freundinnen während des Kunst-Studiums in München. Anderthalb Jahrzehnte ist das mittlerweile her. Mehrfach reisten sie seitdem gemeinsam nach Asien, nach Hongkong und nach Japan. „In Asien gehörten Kunst und Tee schon immer zusammen“, erklärt Friedel. Maler, Teemeister, Poeten und Intellektuelle gingen zusammen in die Berge, um Tee zu trinken und sich zu unterschiedlichen Themen auszutauschen. Dieses Prinzip möchten Dobashi und Friedel nun gerne nach Düsseldorf importieren. Im ANMO Art/Cha gehe es um Kommunikation. Um Austausch. Darum, sich Zeit zu nehmen. „Für den Tee. Und für die Kunst“, sagt Friedel. Dass das Kunst-Business gemeinhin gänzlich anders funktioniert, wissen die beiden nur allzu gut.
Die Kunst erreicht man im ANMO Art/Cha über einen schmalen Gang, der den Verkaufsraum mit dem kleinen Galerieraum verbindet. Vier Ausstellungen möchten Friedel und Dobashi im Jahr realisieren. Vor einigen Tagen erst wurde die aktuelle, von der Farbe Gelb dominierte Schau eröffnet. Sie besteht lediglich aus zwei Arbeiten. Einem großformatigen abstrakten Gemälde der Düsseldorfer Malerin Jana Schröder. Und einer kleinen metallenen Tafel mit der Aufschrift „Collectors are welcome“von Maurizio Nannucci. „Bei der Eröffnung war es total voll“, erzählt Dobashi. Ein japanischer Zauberer sei aufgetreten. Und es wurde sehr viel Bier getrunken. Mittlerweile ist man vom Kaltgetränk Bier wieder zum Warmgetränk Tee zurückgekehrt. Letzterer wird im ANMO Art/Cha in winzigen, gerade mal Schnapsglas-großen Tässchen gereicht. Die geschmackvollen Keramiken, die zum Teil von der Düsseldorferin Michiko Shida stammen, stehen im Laden ebenso zum Verkauf wie Importware aus Japan, antike Tetsumins oder die schwarzen Kimono-artigen Jacken des Slow-Fashion-Labels Injury. Friedel trägt ihre Liebe zum Projekt, das die beiden Initiatorinnen als Kunst verstanden wissen möchten, sogar auf der Haut. Auf ihrer Hand prangt das tätowierte Logo des ANMO Art/Cha, eine Kombination aus Auge und Teekanne.
Rund 30 unterschiedliche TeeSorten sind derzeit im Laden zu haben. Sie stammen ausnahmslos aus China und Japan. Der günstigste kostet 8 Euro/100 Gramm. Der teuerste 107 Euro/100 Gramm. „Das ist ein chinesischer Pu-Erh-Tee, der über 20 Jahre alt ist“, erklärt Dobashi. Früher wurde der Pu-Erh-Tee als Medizin getrunken, da er beruhigend auf Magen und Darm wirke. Heute serviert man ihn in Asien, wenn besondere Gäste kommen. Er entspanne den Trinkenden, mache ihn gut gelaunt und optimistisch. Grüner Tee hingegen enthalte Catechine sowie Aminosäuren. „Er beugt bestimmten Krebsarten vor, aber auch Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, weiß die Japanerin.
Um exzellente Ware anbieten zu können, reisen Dobashi und Friedel mehrfach im Jahr nach Asien, pflegen Kontakte zu Produzenten und Teebauern. „Wir möchten genau wissen, wo unser Tee herkommt“, so Anna Friedel. Ihre Kundschaft weiß das zu schätzen. Rund 50 Prozent von ihnen sind Asiaten, meist Japaner und Chinesen. Dass chinesische und japanische Produkte an einem Ort angeboten werden, sei ziemlich ungewöhnlich. Mittlerweile kämen aber durchaus schon mal Chinesen vorbei, um japanischen Tee zu kaufen, erzählt Friedel. „Das gefällt uns natürlich besonders gut.“