Rock, Pop oder Klassik: Welche Musikauswahl bei der Hochzeit zu erwarten ist.
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DÜSSELDORF Hierzulande haben es Brautleute einfach, wenn sie vor dem Altar der musikalischen Erhebung und Erbauung bedürfen. Zu ihrem Glück und zum Lobe Gottes gibt es Hochzeitsorganisten, in deren Arbeitszimmer ein Notenregal beliebte Standardwerke bereithält. Wir alle kennen ja die ersten Takte dieser Klassiker, die in solchen Lebenslagen erwünscht sind, auf dass die Brust sich hebt und die Tränen rinnen: Mendelssohns „Hochzeitsmarsch“aus dem „Sommernachtstraum“gehört dazu und Wagners Pendant „Treulich geführt“aus der Oper „Lohengrin“.
Prinz Harry und Meghan Markle werden sich bei ihrer Hochzeit in St. George’s Chapel in Windsor Castle sicher nicht von weltlichen Klängen beflügeln lassen wollen; kann eher sein, dass sie die virtuos rauschende Toccata aus der Orgelsymphonie Nr. 5 von Charles-Marie Widor auf ihrem Feierlichkeitsplan haben. Zur Einstimmung der virtuellen weltweiten Festgemeinde hat jedenfalls die Schallplattenfirma Warner soeben die verkaufsclevere CD „Music For A Royal Wedding“herausgebracht. Sie enthält lauter Trara-Highlights. Neben jenen Evergreens erschallen Händels „Hallelujah“, Francks „Panis Angelicus“, Parrys „Jerusalem“, Clarkes „Trumpet Voluntary“oder der „Canon“von Pachelbel. Solche Kompositionen bringen jede Stieftante zum Schmelzen. Was allerdings die Tenor-Arie „Nessun dorma“aus „Turandot“mit einer Hochzeit zu tun hat, ist uns Festlandeuropäern unerfindlich. Sollten auf der Insel in Zeiten des Brexit heidnische Tendenzen aufleben, so wäre diese Arie bei einer Hochzeit ein Indiz dafür.
Wie gottlob der Kensington Palace unterdessen mitteilt, wird die Musik zur Hochzeit „eine Reihe bekannter Hymnen und Chorwerke enthalten“. Das klingt nach einem gediegen-prachtvollen Ablauf, bei dem keinerlei öffentliche Ohnmachten der königlichen Familie und ihrer Gäste zu befürchten sind. James Vivian, der Musikdirektor der St. George’s Chapel, hat die Partitur des Tages vor sich. Wie man hört, „freut er sich mit seinen Kollegen sehr auf diesen aufregenden Tag“. Es wird „eine Auswahl von Chorgruppen, Solisten und Musikern“beim Gottesdienst auftreten.
Gesetzt ist der Chor der Chapel unter Vivians Leitung. Dem Chor gehören 23 Knaben der St. George’s School und zwölf sogenannte Lay Clerks in Alt, Tenor und Bass an. Fest gebucht sind auch Karen Gibson und The Kingdom Choir, eine christliche Gospel-Gruppe aus dem Südosten Englands, die – so die Musikkritiker in Kensington Palace – für „einen vereinten Klang, eine warme Energie und eine enthusiastische Performance“bekannt sind.
Auch der 19-jährige Cellist Sheku Kanneh-Mason wird den Gottesdienst begleiten. 2016 gewann er den Preis der BBC für junge Musiker, soeben hat er sein erstes Album unter dem Titel „Inspiration“veröffentlicht. Prinz Harry habe, berichtet das Online-Magazin „vip.de“, den Jungen im Juni erstmals gehört, und Meghan soll ihn angerufen haben, um ihn zum Gottesdienst einzuladen. Er habe sofort „Ja“gesagt und könne es kaum erwarten. Für seine Karriere wird am 19. Mai der Auftritt in St. George’s Chapel wie Cape Canaveral sein. Im Hintergrund wirken bewährte Orchestermusiker aus London mit.
Klassisches Format hat auch die Sopranistin Elin Manahan Thomas, die aus Wales stammt und auf Barockmusik spezialisiert ist. Im Internet kursiert von ihr eine (geschmacklich indes fragwürdige) Version des „Ave Maria“von Bach/ Gounod. Unbedenklich ist die Orgel der Kirche: Sie hat 71 Register auf fünf Manualen und ist bei königlichen Hochzeiten sturmerprobt. Ganz gewiss werden auch die stärksten Geschütze des Instruments erklingen, so ein Orgelregister namens „Orchestral Trumpet“.
Wer sich ausrechnet, was dies alles kostet, sollte sich mit Fantasie begnügen: Zu solchen Fragen schweigt die Krone kategorisch stille. Sie lässt sich allerdings nicht lumpen, das ist sicher. Alles fügt sich jedenfalls in die Traditionen und Gepflogenheiten, die bei Hochzeiten der Royals beachtet werden. Dabei gab es in den vergangenen Jahren mehr oder weniger offensichtliche Linien zwischen Kindern und ihren Eltern. Bei der Hochzeit von Prinz William und Kate erklang der Choral „I Was Glad“: Der wurde nicht nur bereits 1902 bei der Krönung von König Edward VII. gespielt, auch Williams und Harrys Eltern, Prinz Charles und Prinzessin Diana, ließen „I Was Glad“auflegen. Der Choral „Guide Me, O Thou Great Redeemer“, den William und Kate hörten, wurde hingegen bei Dianas Beerdigung vorgetragen.
Überraschungsgäste sind mit diesem Fahrplan für Meghans und Harrys Gottesdienst ausgeschlossen. Kann aber sein, dass sie alle bei der anschließenden Feier auflaufen: Elton John (der sich fälschlich schon zur Hochzeitsmesse eingeladen wähnte), die Spice Girls oder Ed Sheeran. Der schönste Tag im Leben soll ja nach all den Klassikern mit dem Ausmarsch aus der Kirche nicht enden.