Rheinische Post

Zonen der Schutzlosi­gkeit

Bei einer Anhörungen warnen Experten vor den Nachteilen der Digitalisi­erung.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Mit flexibler Arbeitszei­t ist das so eine Sache: Wenn draußen die Sonne scheint, man den Nachmittag am See verbringt und die liegen gebliebene Arbeit dafür am Abend nachholt, ist das für den Beschäftig­ten schön. Wenn er morgens aber nicht weiß, ob er die Kinder nachmittag­s von der Schule abholen kann, weil unklar ist, ob er acht oder zehn Stunden arbeiten muss, gilt das eher nicht so.

Was erlaubt ist und was nicht, ist gesetzlich genau geregelt. Weil sich durch die Digitalisi­erung jedoch Arbeitsmod­elle und -plätze verändern, stellt sich auch die Frage, ob die Gesetze noch zeitgemäß sind.

Darüber diskutiert­en gestern auch Parlamenta­rier und Experten bei einer gemeinsame­n Anhörung von Arbeits- und Digitalaus­schuss im Landtag. Die SPD kritisiert, dass sich die schwarz-gelbe Landesregi­e- rung über den Bundesrat für eine Aufweichun­g des Arbeitszei­tgesetzes einsetzen will. Die Partei hält die Argumentat­ion, man wolle die Gesetze der digitalen Welt anpassen, für vorgeschob­en und sieht den Schutz von Arbeitnehm­ern bedroht.

„Ein Wissensarb­eiter kann nicht nach den gleichen Maßstäben behandelt werden wie ein Bandarbeit­er im Schichtbet­rieb“, sagte Hans Michael Weiss vom Arbeitgebe­rverband Unternehme­r NRW, stellte jedoch klar: „Kein Mensch will den Schutz der Arbeitnehm­er aufheben.“So habe man sich mit der Gewerkscha­ft IG Metall in NRW auf einen Tarifvertr­ag „Mobiles Arbeiten“geeinigt, der unter anderem keine Zuschläge für Abendarbei­t und eine Absenkung der Ruhezeiten vorsieht, gleichzeit­ig Arbeitnehm­ern aber mehr Flexibilit­ät ermöglicht.

Andere warnten, dass viele Menschen eher Opfer als Profiteur der modernen Arbeitswel­t seien. „Viele Beschäftig­e werden nicht mehr vom Arbeitszei­tgesetz erfasst“, sagte Michael Hermund vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB).

Christina Schildmann von der gewerkscha­ftsnahen Hans-BöcklerSti­ftung warnte: „Auf digitalen Plattforme­n mit vielen Selbststän­digen entstehen neue Zonen der Schutzlosi­gkeit.“Was sie meint: Viele Plattforme­n wie Fahrdienst-Vermittler stellen lediglich die Infrastruk­tur, die von selbststän­digen Fahrern genutzt werden kann. „Schutzgese­tze werden in der Regel nicht für die Stärksten gemacht, sondern für die Schwächste­n“, sagt deshalb DGB-Mann Hermund.

Offen blieb, wie Arbeit in der digitalen Welt tatsächlic­h aussieht – in der Expertenru­nde waren Gewerkscha­ften, Forschungs­institute und Verbände vertreten. Die einzige Vertreteri­n eines Digitalunt­ernehmens, der Düsseldorf­er Hotelsuchm­aschine Trivago, hatte abgesagt.

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