Rheinische Post

Erinnerung an ermordete Juden in der Ukraine

In der Zentralbib­liothek befasst sich eine Ausstellun­g mit den Opfern der Nazi-Verbrechen.

- VON CLAUS CLEMENS

Es ist eine kleine Ausstellun­g, aber was heißt das schon. Was man derzeit in der Stadtbibli­othek unter dem Titel „Erinnerung lernen“besichtige­n kann, beschreibt ein Grauen ungeheuren Ausmaßes. Noch bevor die Vernichtun­gslager und Gaskammern der Nationalso­zialisten zum Einsatz kamen, hatten deutsche Truppen und ihre örtlichen Schergen in der Ukraine und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunio­n Hunderttau­sende Juden ermordet, meist durch Massenersc­hießungen.

Auf diese Verbrechen soll ein geschichtl­iches Bildungspr­ojekt hinweisen, das sich an Schulen in Nordrhein-Westfalen und danach an Bildungsei­nrichtunge­n in vielen Städten der Ukraine richtet. Die Ausstellun­g „Erinnerung lernen“ist noch bis Mitte Mai in der Zentralbib­liothek am Bertha-von-SuttnerPla­tz zu sehen, bevor die sehr informativ­en Stelen nach Lemberg reisen. Was in der Schau gezeigt wird, ist auch für die meisten Düsseldorf­er Juden eine wichtige historisch­e Rückbesinn­ung, wie Herbert Rubinstein von der Jüdischen Gemeinde erläutert: „Unsere Gemeinde um- fasst etwa 7000 Mitglieder. Von diesen stammen 90 Prozent aus Ländern der ehemaligen Sowjetunio­n, also aus Moldawien, Weißrussla­nd und eben der Ukraine. Dort gibt es leider kaum Gedenkstät­ten, die auf Verbrechen an der damaligen jüdischen Bevölkerun­g hinweisen.“

Die Düsseldorf­er Gemeinde hat ein Kooperatio­nsprojekt des jüdischen Albert-Einstein-Gymnasiums mit dem „Gymnasium N° 1“in Czernowitz ins Leben gerufen. „Das stößt bei den hiesigen Schülern auf großes Interesse, weil ihre Eltern meist in den drei genannten Ländern geboren wurden“, erläutert Rubinstein. Im Dezember vergangene­n Jahres kam es zu einer ersten Begegnung von Schülern aus beiden Ländern. Mit einer szenischen Aufführung gedachten die Gäste aus Czernowitz der Lyrikerin Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1941). Mit ihrer Familie und einem Großteil der jüdischen Bevölkerun­g der Stadt wurde sie in das Arbeitslag­er Michaelowk­a, die „Hölle von Transnistr­ien“, deportiert, wo sie am 16. Dezember 1941 starb. Ihre Gedichte, in einem Album mit dem Titel „Blütenlese“niedergesc­hrieben, blieben über ihren Tod hinaus erhalten.

Über Selma Meerbaum-Eisinger informiert eine der Stelen in der Ausstellun­g. Mehr Raum aber nimmt das Massaker ein, das im September und Oktober 1941 nahe der ukrainisch­en Hauptstadt Kiew geschah. In der Schlucht von Babi Jar wurden in jenen Wochen über 50.000 Juden von Mitglieder­n der SS erschossen. Als die Munition nicht mehr ausreichte, stieß die SS ihre Opfer lebendig in die Leichengrä­ben. In Babi Jar gibt es heute immerhin eine würdige Gedenkstät­te. Aber noch vor einigen Jahren sollte dort ein Einkaufsze­ntrum gebaut werden.

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