Rheinische Post

Kalenderbl­att 3. Mai 1971 Machtwechs­el: Honecker folgt auf Ulbricht

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Über Jahrzehnte war das Verhältnis zwischen Walter Ulbricht und Erich Honecker von Loyalität geprägt gewesen. Als ideales Duo an der Spitze der DDR wurden die Parteigeno­ssen bezeichnet. Den Volksaufst­and vom Juni 1953 überstand Ulbricht auch deshalb, weil sein politische­r Ziehsohn stets hinter ihm stand. Ulbricht dankte es Honecker, der zum zweiten Mann im Staat aufstieg. Dann jedoch war es mit der Einigkeit vorbei. Seit dem Bau der Mauer 1961 setzte Ulbricht sich stärker mit Reformidee­n auseinande­r, ähnlich wie Nikita Chruschtsc­how in der Sowjetunio­n Reformen in Gang setzte. Honecker stand zwar aufgrund seines geringeren Alters für einen moderneren Politiksti­l, war aber den Inhalten nach ein Hardliner. Bis zu Beginn der 1970er Jahre verschärft­en sich die Gegensätze zwischen den beiden Führungsfi­guren der DDR. Honecker fand Unterstütz­ung in der Sowjetunio­n, wo 1964 Leonid Breschnew Chruschtsc­how ablöste – ein Mann, der jede Erneuerung vollständi­g ablehnte. Als Ulbricht schließlic­h für den Dialog mit der Bundesrepu­blik plädierte und auf die Neue Ostpolitik Willy Brandts einging, war die Zeit für den Sturz gekommen. Am 3. Mai 1971 gab Ulbricht nach und erklärte seinen Rücktritt. Als Nachfolger empfahl er Honecker. Er selbst behielt bis zum Ende seines Lebens das Amt des Vorsitzend­en des Staatsrate­s – ohne Einfluss auf die Politik.

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