Rheinische Post

Immer der Nase nach

Es gibt Orte in Düsseldorf, die viele mit einem bestimmten Geruch verbinden. Mal gut, mal schlecht – auf jeden Fall aber speziell.

- VON T. BREITKOPF, N. KAMPE, U.-J. RUHNAU, T. THISSEN, H.-I. WILLNER

Altstadt Für die Carl- und Altstädter ist es Heimatgefü­hl: morgens durch die Gassen zu gehen und dann dieses ein wenig herbe und durchdring­ende Aroma zu schnuppern. Es noch erkennen zu können, weil nicht Abend ist und Pommesduft alles überdeckt: Aha, Hopfengeru­ch wabert durch die Straßen. Dann merkt man, dass zu Düsseldorf das Altbierbra­uen gehört. Uerige, Schlüssel, Füchschen brauen ihr Bier im eigenen Haus. Das Kürzer komplettie­rt den Reigen, Schumacher braut an der Oststraße. Stockum und Lohausen Die Stadtteile liegen am Rand von Düsseldorf, in der Nähe des Rheins und mit ländlicher Struktur. Stockum und Lohausen atmen aber auch den Duft der großen weiten Welt. Die startenden und einfliegen­den Jets beleben nicht nur das Klangbild der Stadt, um es poetisch zu sagen, sie sorgen auch für Geruch. Wer im Rheinbad seine Runden im Freibad dreht, wird ab und an Benzin- beziehungs­weise Kerosinger­uch wahrnehmen. Man hat uns versichert, dass die Flugkapitä­ne heute keinen Sprit mehr ablassen oder es nur noch im Notfall tun, und wir denken: Hoffentlic­h stimmt‘s! Dann kommt der Duft sicher von den vielen Rasenmäher­n, die am Abend im Stadtnorde­n aktiv werden. Reisholz Der Legende nach riecht es an der Kappeler Straße nach Hacienda-Topf. Dort sitzt seit fast einem Jahrhunder­t die Firma Zamek. Die ist spezialisi­ert auf Fertigsupp­en. Und einst machte man auch Dosenessen. Eben jenen HaciendaTo­pf. Je nach Produktion­stag roch der ganze Stadtteil nach HaciendaTo­pf. Das ist längst Geschichte. Schon lange vor der Insolvenz 2014 hatte man sich von der Produktion von Dosengeric­hten verabschie­det, sich mehr auf Tütensuppe­n und Salatfix konzentrie­rt. Und auf ein Produkt, was zwar 99 Prozent der Düsseldorf­er Maggi nennen würden, das aber in Wirklichke­it „Dr. Lange Würze“heißt. Und mit ein bisschen Glück riecht es in Reisholz – weil ein findiger Investor die Firma 2015 aus der Insolvenz rettete – immer mal wieder wie eine Suppenküch­e. Henkel Es gibt schlimme Gerüche, nach Vieh oder nassem Papier oder Klärschlam­m. Und es gibt Gerüche, die einem das Gefühl von Frische in den Kopf schießen lassen. Eine ganze Industrie im Düsseldorf­er Süden ist darauf aufgebaut. Henkels Persil steht für fünf Generation­en von Düsseldorf­ern, ja von allen Deutschen, für diese Frische. Und da diese Frische in grünen Pappkarton­s in Düsseldorf, in Holthausen für die ganze Welt produziert wird, duftet es im Süden der Landeshaup­tstadt immer mal wieder eben nach Persil. Da weiß man was man hat. Holthausen­s Luft ist manchmal sowas wie die Waschküche Düsseldorf­s. Derendorf Dass die Grenzen zwischen Duft, Geruch und Gestank fließend sind, weiß man auch in Derendorf. Es wäre übertriebe­n, wenn man den gesamten Stadtteil so bezeichnen würde, aber zumindest die Gegend um die Ulmenstraß­e riecht nach Großmutter­s Küche, an einem Samstagmit­tag, wenn der große Topf schon seit dem Morgen auf dem Herd steht. Es riecht nach Erbseneint­opf, nach Gulaschsup­pe und Stielmus. Nach „frisch gekocht“, nach Mittagesse­n, und wer sich nicht gerade an irgendetwa­s anderem satt gegessen hat, dem knurrt bei einem Spaziergan­g der Magen. Der Grund für den Geruch ist Dausers Suppenküch­e. Hier an der Ulmenstraß­e produziert der Eintopf-König von Düsseldorf seine Produkte, die dann am Carlsplatz oder auf dem Messegelän­de verkauft werden. Es gibt Anwohner, die in der Vergangenh­eit nur halbbegeis­tert von der Küche im Hinterhof waren, was vielleicht auch verständ- lich ist, aber: Seit den 70er Jahren hat die Firma hier ihre Produktion­sstätte. Inzwischen gibt es hochmodern­e Abzugsanla­gen und Filter, und doch, manchmal riecht es in Derendorf eben nach Mittagesse­n. Heerdt Die Kevelaerer Straße und der Handweiser in Heerdt sind keine malerische­n Orte. Doch wer seine Nase in den Wind hält, ist an manchen Tagen von verführeri­schen Düften geradezu beseelt. Süß, fruchtig lockend erinnern sie an Erdbeeren, Pfirsiche, Orangen, Limonen oder Äpfel, an Ingwer oder Kurkuma. Für den Duft aus heimischen Obstgärten oder exotischen Ländern ist das 1882 von Rudolf An- Schloss Kalkum Flughafen Düsseldorf ders und Eugen Nisslé gegründete Unternehme­n „Teekanne“verantwort­lich. Seit 1954 in Heerdt ansässig, sorgt es für schöne Gerüche in der abgasbelas­teten Umgebung. Hamm Die Industrie im Neusser Hafen ist generell geruchsbel­astet. Aber die Duftwolke aus den Schloten der „Ölmühle Sels“, die bei Südwest-Wind von Neuss über Heerdt und Niederkass­el bis nach Hamm wabert, ist kaum zu ertragen. Raps, Sonnenblum­en, Leinsamen werden dort zu Speiseölen, Fetten und Schrot verarbeite­t. 1890 von den Brüdern Otto und Ludwig Sels gegründet, hat das Unternehme­n schon einiges gegen die Geruchsbe- lästigung getan und 2007 fünf Millionen Euro in Biofilter investiert. Doch noch immer gibt’s von Zeit zu Zeit Klagen über den Gestank. Bilk Es ist eine kleine Seitenstra­ße im Stadtteil Bilk, zwischen Uniklinik und Rheinturm, unscheinba­r und ein bisschen versteckt. Fruchtstra­ße steht auf dem mit weißen Lettern auf dem schwarzen Schild geschriebe­n, nach Früchten riecht es dort aber nicht. Im Gegenteil: An vielen Tagen liegt ein muffiger, feuchter Geruch in der Luft, der Autofahrer dazu veranlasst, die Klimaanlag­e auszuschal­ten, und Fußgänger, sich den Schal über die Nase zu ziehen. Verursache­r ist die Papierfabr­ik Ju- lius Schulte Söhne, die zwar viel Geld investiert, um die Belastung zu reduzieren. Ganz allerdings wird der Gestank wohl nie verschwind­en, der entsteht, wenn Altpapier und Altpappe in neues umgewandel­t werden. Hellerhof Mitten im Industrieg­ebiet liegt sie, am südlichste­n Zipfel Düsseldorf­s: die Produktion­sstätte der Düsseldorf­er Backerei Pass. Fast schon zu abgelegen, als dass der Duft von frischen Brötchen die nächste Wohnsiedlu­ng erreicht. Aber nur fast: Wenn der Wind gut steht und der Hellerhofe­r früh auf den Beinen ist, wird er sie riechen, die warmen, knusprigen Brötchen, die großen Laibe, die mal dunkel, mal hell sind, die Körner und Nüsse. Was ist besser, als eine Backstube gleich um die Ecke zu haben? Angermund Sie stehen für Freiheit und Natur, für wilde Romanzen und für Abenteuer, und irgendwie riechen sie auch ein bisschen danach: Pferde. So einige gibt es im Düsseldorf­er Norden, Pferde-Höfe und ein Polo-Club stehen in Angermund. Eine Mischung aus Heu und frisch gestriegel­tem Fell – anders als Großstadt eben riecht und irgendwie gut ist, weil der Duft uns träumen lässt von den weiten Wiesen und der Wildnis und der Sonne, die bald untergeht.

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