Immer der Nase nach
Es gibt Orte in Düsseldorf, die viele mit einem bestimmten Geruch verbinden. Mal gut, mal schlecht – auf jeden Fall aber speziell.
Altstadt Für die Carl- und Altstädter ist es Heimatgefühl: morgens durch die Gassen zu gehen und dann dieses ein wenig herbe und durchdringende Aroma zu schnuppern. Es noch erkennen zu können, weil nicht Abend ist und Pommesduft alles überdeckt: Aha, Hopfengeruch wabert durch die Straßen. Dann merkt man, dass zu Düsseldorf das Altbierbrauen gehört. Uerige, Schlüssel, Füchschen brauen ihr Bier im eigenen Haus. Das Kürzer komplettiert den Reigen, Schumacher braut an der Oststraße. Stockum und Lohausen Die Stadtteile liegen am Rand von Düsseldorf, in der Nähe des Rheins und mit ländlicher Struktur. Stockum und Lohausen atmen aber auch den Duft der großen weiten Welt. Die startenden und einfliegenden Jets beleben nicht nur das Klangbild der Stadt, um es poetisch zu sagen, sie sorgen auch für Geruch. Wer im Rheinbad seine Runden im Freibad dreht, wird ab und an Benzin- beziehungsweise Kerosingeruch wahrnehmen. Man hat uns versichert, dass die Flugkapitäne heute keinen Sprit mehr ablassen oder es nur noch im Notfall tun, und wir denken: Hoffentlich stimmt‘s! Dann kommt der Duft sicher von den vielen Rasenmähern, die am Abend im Stadtnorden aktiv werden. Reisholz Der Legende nach riecht es an der Kappeler Straße nach Hacienda-Topf. Dort sitzt seit fast einem Jahrhundert die Firma Zamek. Die ist spezialisiert auf Fertigsuppen. Und einst machte man auch Dosenessen. Eben jenen HaciendaTopf. Je nach Produktionstag roch der ganze Stadtteil nach HaciendaTopf. Das ist längst Geschichte. Schon lange vor der Insolvenz 2014 hatte man sich von der Produktion von Dosengerichten verabschiedet, sich mehr auf Tütensuppen und Salatfix konzentriert. Und auf ein Produkt, was zwar 99 Prozent der Düsseldorfer Maggi nennen würden, das aber in Wirklichkeit „Dr. Lange Würze“heißt. Und mit ein bisschen Glück riecht es in Reisholz – weil ein findiger Investor die Firma 2015 aus der Insolvenz rettete – immer mal wieder wie eine Suppenküche. Henkel Es gibt schlimme Gerüche, nach Vieh oder nassem Papier oder Klärschlamm. Und es gibt Gerüche, die einem das Gefühl von Frische in den Kopf schießen lassen. Eine ganze Industrie im Düsseldorfer Süden ist darauf aufgebaut. Henkels Persil steht für fünf Generationen von Düsseldorfern, ja von allen Deutschen, für diese Frische. Und da diese Frische in grünen Pappkartons in Düsseldorf, in Holthausen für die ganze Welt produziert wird, duftet es im Süden der Landeshauptstadt immer mal wieder eben nach Persil. Da weiß man was man hat. Holthausens Luft ist manchmal sowas wie die Waschküche Düsseldorfs. Derendorf Dass die Grenzen zwischen Duft, Geruch und Gestank fließend sind, weiß man auch in Derendorf. Es wäre übertrieben, wenn man den gesamten Stadtteil so bezeichnen würde, aber zumindest die Gegend um die Ulmenstraße riecht nach Großmutters Küche, an einem Samstagmittag, wenn der große Topf schon seit dem Morgen auf dem Herd steht. Es riecht nach Erbseneintopf, nach Gulaschsuppe und Stielmus. Nach „frisch gekocht“, nach Mittagessen, und wer sich nicht gerade an irgendetwas anderem satt gegessen hat, dem knurrt bei einem Spaziergang der Magen. Der Grund für den Geruch ist Dausers Suppenküche. Hier an der Ulmenstraße produziert der Eintopf-König von Düsseldorf seine Produkte, die dann am Carlsplatz oder auf dem Messegelände verkauft werden. Es gibt Anwohner, die in der Vergangenheit nur halbbegeistert von der Küche im Hinterhof waren, was vielleicht auch verständ- lich ist, aber: Seit den 70er Jahren hat die Firma hier ihre Produktionsstätte. Inzwischen gibt es hochmoderne Abzugsanlagen und Filter, und doch, manchmal riecht es in Derendorf eben nach Mittagessen. Heerdt Die Kevelaerer Straße und der Handweiser in Heerdt sind keine malerischen Orte. Doch wer seine Nase in den Wind hält, ist an manchen Tagen von verführerischen Düften geradezu beseelt. Süß, fruchtig lockend erinnern sie an Erdbeeren, Pfirsiche, Orangen, Limonen oder Äpfel, an Ingwer oder Kurkuma. Für den Duft aus heimischen Obstgärten oder exotischen Ländern ist das 1882 von Rudolf An- Schloss Kalkum Flughafen Düsseldorf ders und Eugen Nisslé gegründete Unternehmen „Teekanne“verantwortlich. Seit 1954 in Heerdt ansässig, sorgt es für schöne Gerüche in der abgasbelasteten Umgebung. Hamm Die Industrie im Neusser Hafen ist generell geruchsbelastet. Aber die Duftwolke aus den Schloten der „Ölmühle Sels“, die bei Südwest-Wind von Neuss über Heerdt und Niederkassel bis nach Hamm wabert, ist kaum zu ertragen. Raps, Sonnenblumen, Leinsamen werden dort zu Speiseölen, Fetten und Schrot verarbeitet. 1890 von den Brüdern Otto und Ludwig Sels gegründet, hat das Unternehmen schon einiges gegen die Geruchsbe- lästigung getan und 2007 fünf Millionen Euro in Biofilter investiert. Doch noch immer gibt’s von Zeit zu Zeit Klagen über den Gestank. Bilk Es ist eine kleine Seitenstraße im Stadtteil Bilk, zwischen Uniklinik und Rheinturm, unscheinbar und ein bisschen versteckt. Fruchtstraße steht auf dem mit weißen Lettern auf dem schwarzen Schild geschrieben, nach Früchten riecht es dort aber nicht. Im Gegenteil: An vielen Tagen liegt ein muffiger, feuchter Geruch in der Luft, der Autofahrer dazu veranlasst, die Klimaanlage auszuschalten, und Fußgänger, sich den Schal über die Nase zu ziehen. Verursacher ist die Papierfabrik Ju- lius Schulte Söhne, die zwar viel Geld investiert, um die Belastung zu reduzieren. Ganz allerdings wird der Gestank wohl nie verschwinden, der entsteht, wenn Altpapier und Altpappe in neues umgewandelt werden. Hellerhof Mitten im Industriegebiet liegt sie, am südlichsten Zipfel Düsseldorfs: die Produktionsstätte der Düsseldorfer Backerei Pass. Fast schon zu abgelegen, als dass der Duft von frischen Brötchen die nächste Wohnsiedlung erreicht. Aber nur fast: Wenn der Wind gut steht und der Hellerhofer früh auf den Beinen ist, wird er sie riechen, die warmen, knusprigen Brötchen, die großen Laibe, die mal dunkel, mal hell sind, die Körner und Nüsse. Was ist besser, als eine Backstube gleich um die Ecke zu haben? Angermund Sie stehen für Freiheit und Natur, für wilde Romanzen und für Abenteuer, und irgendwie riechen sie auch ein bisschen danach: Pferde. So einige gibt es im Düsseldorfer Norden, Pferde-Höfe und ein Polo-Club stehen in Angermund. Eine Mischung aus Heu und frisch gestriegeltem Fell – anders als Großstadt eben riecht und irgendwie gut ist, weil der Duft uns träumen lässt von den weiten Wiesen und der Wildnis und der Sonne, die bald untergeht.