Rheinische Post

Die Liebe ihres Lebens

Mit 13 hat Doris Först bei Metallbau Hermann und Josef Först angefangen. Heute, 60 Jahre später, sitzt sie immer noch am Schreibtis­ch.

- VON NICOLE KAMPE

BILK Auf einem kleinen Stück Wiese in einem Hinterhof in Bilk stehen alte Maschinen, Pressen und Bohrer mit Zahnrädern, die so groß sind wie ein Mensch, die mit einem dunkelgrau­en Schutz überzogen sind, damit sie der Witterung standhalte­n. Die Maschinen sind Hermann Josef Försts ganzer Stolz, und deshalb sind sie es auch ein bisschen für seine Frau Doris Först, „wenn ich jemanden sehe, der über die Wiese läuft, dann springe ich gleich vom Schreibtis­ch auf“, sagt die 73Jährige. Ganz recht, vom Schreibtis­ch, an dem Doris Först seit 60 Jahren sitzt, mit 13 hat sie im Betrieb ihre Ausbildung begonnen, am 1. April 1958, damals noch als Doris Sassen.

Industriek­auffrau wollte sie lernen nach der Schule, lebte damals noch in Baumberg, pendelte jeden Tag dorthin. Dass der Sohn des Chefs eines Tages seine Lehre nach der Ingenieurs­chule im Familienbe­trieb begann, ist der jungen Doris nicht entgangen. „Er war in der Werkstatt, ich im Büro“, sagt Först, Blicke trafen sich, auch mal ein Lächeln, irgendwann fragte er sie nach einem Date. Im Theater waren die beiden, an das Stück kann sich Först noch erinnern, als wäre es gestern gewesen: „Alte Tanten tanzen Tango“, sagt Först. Schwierig war es am Anfang – sie lebte noch immer in Baumberg, Hermann Josef in Grevenbroi­ch. 1970 heirateten die bei- den schließlic­h, bekamen acht Jahre später Tochter Silke.

Das war auch die einzige Zeit, in der Doris Först eine Pause einlegte – aber nur für die Geburt. Oma und Opa kümmerten sich um Silke, „ich bin arbeiten gegangen“. Jeden Tag hat sie pünktlich um acht an ihrem Schreibtis­ch gesessen, sogar als sie keinen Kita-Platz in Kapellen bekam und nach Neuss ausweichen musste. „Wir sind um 7.30 Uhr los“, sagt Doris Först, die auch nicht gefehlt hat, als ihre Schwiegerm­utter 1996 starb, die nicht fehlte, als sie den Schwiegerv­ater pflegte. „Man muss immer da sein, auch Freizeit opfern“, sagt Doris Först, „obwohl der Betrieb nicht meiner war.“Aber der ihres Mannes – Doris Först hat nicht nur einen Mann geheiratet, sondern ein Familienun­ternehmen.

Sie ist es auch gewesen, die ihrem Mann den Rücken frei hielt, sich nicht nur um die Rechnungen im Betrieb kümmerte und die Aufträge, sondern auch die Immobilien verwaltete, die zur Merowinger­straße mit der Hausnummer 71 und dem Innenhof gehören. „Ich habe einen Anspruch an mich, den ich erfüllen will“, sagt sie. Und der ist mit 73 nicht weniger geworden. Vor sich herschiebe­n kann Doris Först nichts, „dadurch bleibe ich beweglich, auch im Kopf “, sagt sie.

Jeden Tag ist sie auch nach 60 Jahren noch im Büro, und keiner ist eine Qual gewesen. Sie fährt allein von Kapellen nach Düsseldorf, sie will flexibel sein, auf dem Heimweg fa“, erzählt sie, weiter sind die beiden nicht gekommen. Vor zwei Jahren hat Tochter Silke, die wie Doris Försts Schwiegers­ohn inzwischen auch im Metallbaub­etrieb ist, ihren Eltern einen Städtetrip geschenkt nach Heidelberg, „den haben wir drei Mal abgesagt“, erzählt die 73Jährige. Weil ihre Mitarbeite­r vorgehen, weil die Kollegen wie eine Familie sind – 15, 20, sogar 45 Jahre sind manche schon angestellt. Först hat viel gesehen in den letzten 60 Jahren, an der Schreibmas­chine angefangen, gestaunt, als sie den ersten Computer bekam. Heute überlässt sie die neue Technik den Jungen, auch wenn sie ein iPhone besitzt. „Aber das ist zu Hause“, sagt sie.

Manchmal, da denkt Doris Först schon übers Aufhören nach, „aber es ist schwer loszulasse­n“. Obwohl Tochter und Schwiegers­ohn im Unternehme­n sind. Wenn sie zu ihrem Mann sagt, „wir sind alt“, dann sagt er, „sind wir nicht“. Es liegt wohl auch daran, dass Doris Först nicht nur die Liebe des Lebens in Bilk gefunden hat, sondern auch ihr Lebensproj­ekt, an dem ihr Herz hängt. An dem das Herz ihres Mannes hängt. „Die Voraussetz­ungen für die Zukunft haben wir geschaffen“, sagt Doris Först. Ein bisschen weniger arbeiten sie und Hermann Josef inzwischen auch, und daheim, da reden sie nur noch selten über die Arbeit, das Büro. Aber so ganz aufhören wollen sie noch nicht. Die Zeit ist noch nicht da.

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Doris Först hat immer ein Auge auf die kleine Wiese vor ihrem Büro, wo alte Maschinen ausgestell­t sind.

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