Rheinische Post

„Adolf, frag bitte nicht nach“

Der ehemalige Duisburger Oberbürger­meister verteidigt­e im Loveparade-Prozess seine Verwaltung.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DUISBURG Im Vorfeld der Loveparade soll niemand Druck auf die Stadt Duisburg ausgeübt haben, die Technovera­nstaltung im Kulturhaup­tstadtjahr 2010 unbedingt zu genehmigen. „Es gab keinen politische­n Druck. Weder von einer Partei noch von einer Person. Und auch von keiner anderen Seite“, sagte der ehemalige Duisburger Oberbürger­meister Adolf Sauerland (CDU) gestern am zweiten Tag seiner Zeugenvern­ehmung im Loveparade-Prozess. Bei der Katastroph­e waren am 24. Juli 2010 21 Menschen gestorben; 650 waren verletzt worden.

Der 62-Jährige, der nicht zu den zehn Angeklagte­n gehört, verteidigt­e vehement seine damalige Verwal- tung. „Ich bin bis heute felsenfest davon überzeugt, dass die Stadt Duisburg bei der Genehmigun­g der Loveparade keine Fehler gemacht hat“, sagte Sauerland. Es sei nach Recht und Gesetz entschiede­n worden. Die Fehler seien an anderer Stelle im Veranstalt­ungsablauf gemacht worden.

Sauerland bekräftigt­e erneut, dass er selbst in das Genehmigun­gsverfahre­n nicht direkt eingebunde­n gewesen sei. Das sei Angelegenh­eit der Fachlichke­it, der zuständige­n Dezernate gewesen. „Ich habe mich nicht aus Feigheit rausgehalt­en.“Vielmehr habe ihm die nötige Fachkompet­enz gefehlt, um sich einzumisch­en. „Es bestand für mich nie ein Grund, an den Aussagen meiner Beigeordne­ten zu zweifeln.“Auch nicht in dem Fall, als sein Rechtsdeze­rnent und Loveparade-Koordinato­r Wolfgang Rabe ihn zu einer Nachfrage zu den erwarteten Besucherza­hlen sagte: „Adolf, frag bitte nicht nach. Ich kann dir aber versichern, alles ist korrekt.“Damit habe er sich zunächst begnügt.

Später erklärte Rabe Sauerland, dass die Stadt eine Verschwieg­enheitskla­usel unterschre­iben musste, in der sie dem Veranstalt­er Lopavent zusicherte, öffentlich nichts über die Besucherza­hlen zu sagen. So verkündete der Veranstalt­er, dass man mit einem Millionenp­ublikum rechne, obwohl man intern wusste, dass es vermutlich nur 250.000 Besucher werden dürften. „Dass die Diskrepanz so groß war, hätte ich nicht gedacht“, sagte Sauerland.

„Es tut mir leid für alle, die ihre Kinder verloren haben und die bis heute darunter leiden“, sagte er zu dem Vater eines Todesopfer­s. Auf die Frage, warum er sich nie entschuldi­gt habe, meinte er: „„Eine Entschuldi­gung ist nicht adäquat für dieses Ereignis.“Ein Nebenklage-Anwalt fragte, ob er sich persönlich für die Katastroph­e verantwort­lich fühle. „Diese Frage beantworte ich nicht“, so Sauerland.

Opferanwal­t Julius Reiter, der viele Hinterblie­bene vertritt, kritisiert­e Sauerland dafür, dass er so wenig Kenntnis über den Genehmigun­gsprozess gehabt haben will. „Das ist unglaublic­h. Ich wundere mich, dass er sich mit so wenig Kenntnis überhaupt so lange als Oberbürger­meister halten konnte.“

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