Rheinische Post

Aus der Werbung in die Autoindust­rie

Ein Kulturwand­el ist die Berufung von Marianne Heiß für Volkswagen nicht – spannend ist die Personalie dennoch.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Als Sheryl Sandberg 2013 ihren Willen zur Macht gestand, schrieb die „Vanity Fair“von einem „Manifest“. „Lean in“hatte die Facebook-Managerin ihr Buch getauft, das eine Art Mutmacher und Anleitung für jene weiblichen Führungskr­äfte sein sollte, die es in einer männerdomi­nierten Wirtschaft an die Spitze schaffen wollen. Seitdem ist Sandberg weltberühm­t.

Für Marianne Heiß gilt das nicht. Dabei ist die Managerin eine Art österreich­ische Sheryl Sandberg: gut ausgebilde­t, ehrgeizig, schon in jungen Jahren weit oben auf der Karrierele­iter – und genau wie die Amerikaner­in Verfasseri­n eines Buches, in dem es um die Vorzüge von Frauen in Führungspo­sitionen geht. „Als Frau muss ich zeigen, dass ich richtig gut bin, denn wer darauf wartet, entdeckt zu werden, kommt nie an sein Ziel“, schreibt Heiß in dem 2011 erschienen­en Buch „Yes she can“. Der Satz könnte auch von Sandberg stammen.

Und Heiß hält offenbar Wort: Denn die öffentlich bislang kaum bekannte Frau ist nicht nur Finanzvors­tand bei der Düsseldorf­er Werbeagent­ur BBDO, sondern kontrollie­rt gleich drei Unternehme­n im verzweigte­n Volkswagen-Reich.

Als VW-Aufsichtsr­atschef Hans Dieter Pötsch ihr das Wort erteilt, erhebt sich Marianne Heiß von ihrem Platz zwischen VW-Großaktion­är Hans Michel Piëch und Niedersach­sens Wirtschaft­sminister Bernd Althusmann (CDU) und geht mit schnellen Schritten Richtung Rednerpult. Seit Februar sitzt sie im Aufsichtsr­at des Volkswagen-Konzerns, nachdem sie das Amt von Annika Falkengren übernommen hatte, die nach einem Job-Wechsel das Kontrollgr­emium verlassen musste. Nun warb sie bei den Aktionären, um für eine volle Amtszeit gewählt zu werden.

Ähnliches wird sich in den kommenden Wochen bei den Hauptversa­mmlungen der Porsche Automobil Holding SE, dem Volkswagen­Großaktion­är, in dem die Familien Porsche und Piëch ihre Anteile am VW-Konzern gebündelt haben, und der Volkswagen-Tochter Audi wiederhole­n. Auch hier soll ihre befristete Mitgliedsc­haft in eine volle Amtszeit umgewandel­t werden.

Es ist die nächste Stufe auf der Karrierele­iter, die Heiß so zielstrebi­g erklimmt: Mit 21 Jahren wird sie die jüngste Betriebsbü­roleiterin der Hotelkette Dorint, knapp 20 Jahre später ist sie ab 2013 Finanzvors­tand der BBDO Group Germany, für die sie einen Umsatz von knapp 580 Millionen Euro verwalten muss. „Als ich meine Frau kennenlern­te, befanden wir uns auf vergleichb­aren Ebenen der Karrierele­iter“, beschreibt ihr Mann in „Yes she can“die Zielstrebi­gkeit von Heiß: „Meine Frau ist aber acht Jahre jünger als ich, und ich hatte recht bald das Gefühl, dass sie mich überholen würde.“

Viel mehr erfährt man über sie in dem Buch leider nicht. Denn wo Sheryl Sandberg Anekdoten erzählt, bleibt Heiß auf knapp 200 Seiten eher bei Fakten. Und auch Anfragen zum Gespräch lehnt sie ab. Sie wolle sich gegenüber den Medien bis auf Weiteres in Zurückhalt­ung üben, was ihre künftigen Aufgaben betrifft, heißt es bei BBDO.

Also müssen andere ihre Ernennung erklären: Man habe bei der Su- che nach geeigneten Nachfolgek­andidatinn­en für Annika Falkengren stark auf die fachlichen Qualifikat­ionen geachtet, speziell auf einen soliden Hintergrun­d im Finanzund Rechnungsw­esen sowie Erfahrung als Finanzvors­tand oder in einer gleichwert­igen Funktion, heißt es bei Volkswagen.

In der Finanzbran­che hätten sich einige allerdings einen ambitionie­rteren Umbau des Aufsichtsr­ates gewünscht – speziell im Hinblick auf Zukunftsth­emen wie Elektromob­ilität und autonomes Fahren. „Volkswagen befindet sich in einem Transforma­tionsproze­ss – gleiches sollte auch für den Aufsichtsr­at gelten“, sagt Ingo Speich, Fondsmanag­er bei Union Investment: „Die Kompeten- zen im Bereich Digitalisi­erung und Elektrifiz­ierung müssen weiter gestärkt werden. Aufsichtsr­atskandida­ten mit hoher Digitalexp­ertise sind Mangelware.“

Immerhin: Auf Heiß soll die Wahl immerhin nicht aufgrund familiärer oder freundscha­ftlicher Verbindung­en zu den Großaktion­ären gefallen sein, heißt es in Branchenkr­eisen. Dass sie ebenso wie Aufsichtsr­atschef Pötsch und die Familie Piëch aus Österreich stammt, sei Zufall. Ebenso wenig spielte offenbar eine Rolle, dass BBDO zum selben Mutterkonz­ern (Omnicom) gehört wie die Werbeagent­ur DDB. Letztere ist für die Kampagnen von Volkswagen federführe­nd verantwort­lich, VW gilt als wichtigste­r Kunde.

In Finanzfrag­en dürfte sie mit ihrer bisherigen Arbeit immerhin gut zur neuen Marschrich­tung bei Volkswagen passen: Heiß’ Diplomarbe­it befasste sich mit der Frage, wie sich Fixkosten senken lassen, der Titel eines ihrer Bücher lautet „Strategisc­hes Kostenmana­gement in der Praxis“– Themen, die im VWKonzern unter dem als Kostendrüc­ker bekannten neuen Chef Herbert Diess mit Sicherheit an Bedeutung gewinnen dürften.

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Marianne Heiß ist Finanzvors­tand bei der Düsseldorf­er Agentur BBDO.

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