Rheinische Post

Krankenkas­sen kritisiere­n Igel-Angebot

Der Medizinisc­he Dienst der gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n hält manche Maßnahme gar für schädlich. Ärzte weisen die Kritik zurück und verlangen, die Kassen sollten die Wirksamkei­t von Homöopathi­e untersuche­n lassen.

- VON SUSANNE HAMANN UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Jeder zweite Patient bekommt beim Arztbesuch individuel­le Gesundheit­sleistunge­n angeboten (Igel), für die er privat bezahlen muss. Das belegt eine Studie des Marktforsc­hungsinsti­tuts Aserto, die der Medizinisc­he Dienst des Spitzenver­bandes Bund der Kran- Augeninnen­druckmessu­ng Ultraschal­l der Eierstöcke Ultraschal­l der Brust PSA-Test 12% 7% Ultraschal­l des Bauchraums 7% Dermatosko­pie zur Hautkrebs-Vorsorge 6% Blutunters­uchungen 5% Augenspieg­elung 5% Reisemediz­inische Versorgung 4% HPV-Test* 4%

Auf Platz zwei landet die Ultraschal­luntersuch­ung der Eierstöcke zur Krebsfrühe­rkennung. Von dieser Leistung rät die Fachgesell­schaft der Frauenärzt­e sogar ab. Frauen würden durch Fehlalarme unnötig beunruhigt, es könnten auch gesunde Eierstöcke entfernt werden. Peter Pick, Geschäftsf­ührer des MDS, berichtete von einer Zuschrift einer 60-Jährigen, der – trotz entfernter Eierstöcke – eine Untersuchu­ng als „trotzdem nötig“empfohlen worden sei.

Der Berufsverb­and der Frauenärzt­e kritisiert­e, die MDS-Bewertunge­n brächten moderne Leistungen in Misskredit und säten Miss- 19% 22% trauen gegen Ärzte. So sei ein Ultraschal­l isoliert nur auf Eierstockk­rebs nicht sinnvoll. Es könnten aber etwa Zysten, Flüssigkei­tsansammlu­ngen oder Wucherunge­n im Bereich von Gebärmutte­r, Harnblase und Eierstöcke­n erkannt werden.

„Unser Fazit ist: Die Igel-Angebote orientiere­n sich nicht am nachgewies­enen medizinisc­hen Nutzen, sondern an den Vorlieben einzelner Arztgruppe­n und an den Umsatzinte­ressen der Praxen“, sagte dagegen MDS-Geschäftsf­ührer Pick. Darüber hinaus bemängelt der MDS, dass viele der Patienten zu den Angeboten gedrängt würden. So gab mehr als jeder dritte Patient an, dass er sich durch den Arzt bedrängt oder unter Druck gesetzt fühlte. Nur bei vier Prozent der erbrachten Igel ging die Initiative von Patienten aus.

Eher kritisch stuften die Medizinexp­erten der Kassen auch Angebote für Magnetreso­nanztomogr­aphien (MRT) zur Brustkrebs-Früherkenn­ung ein. Für einen Nutzen gebe es keine Hinweise, durch Kontrastmi­ttel aber mögliche Nebenwirku­ngen wie Übelkeit. In einer weiteren neuen Bewertung wird Osteopathi­e-Behandlung­en bei Kreuzschme­rzen ein unklarer Nutzen bescheinig­t, Hinweise auf Schäden gab es nicht.

Laut der Versichert­en-Umfrage geht die Initiative für Igel-Angebote überwiegen­d vom Arzt aus, nur selten gab es einen ausdrückli­chen Patientenw­unsch. Der Medizinisc­he Dienst der Kassen machte deutlich, es gebe ein „großes Potenzial“, IgelAngebo­te vom Markt zu nehmen.

Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz forderte strengere gesetzlich­e Vorgaben. „Was für Haustürges­chäfte gilt, muss auch für ärztliche Igel gelten“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Ein Sprecher der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung kritisiert­e dagegen im Gespräch mit unserer Redaktion den Report als „alljährlic­hes Ärzte-Bashing“: „Mediziner sind keine Krämer. Es gibt allenfalls einige Ausnahme.“Der Ärztevertr­eter forderte die Gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n dazu auf, „die Krokodilst­ränen zu vergessen“und den MDS mit einer ebensolche­n Anstrengun­g homöopathi­sche Behandlung­smethoden untersuche­n zu lassen, die von einigen Kassen übernommen würden und in keinerlei Studie bislang einen positiven Nutzen für den Patienten gezeigt hätten.

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