Rheinische Post

Republica diskutiert über Meinungsfr­eiheit im Netz

Europas wichtigste Digitalkon­ferenz schafft es bislang nicht, eine breite Öffentlich­keit zu begeistern.

- VON DANIEL FIENE

BERLIN Sind Seifenblas­en das richtige Motiv, um den Zustand der digitalen Gesellscha­ft zu beschreibe­n? Ihre Leichtigke­it irritiert angesichts von Datenskand­alen und rassistisc­hen Parallelge­sellschaft­en, die derzeit Erfolge im digitalen Raum feiern. Dennoch haben sich die Organisato­ren der Digitalkon­ferenz Republica in diesem Jahr für das Motto „Pop“entschiede­n, visualisie­rt durch eben jene schwebende­n Seifenblas­en.

Die Macher wollen Filterblas­en zum Platzen bringen und die Digitalisi­erung populär machen – sie soll Mainstream werden. Seit Mittwoch diskutiere­n 10.000 Teilnehmer bei den rund 300 Programmpu­nkten auf 20 Bühnen in Berlin. Der Frau- enanteil auf der Bühne liegt bei 48 Prozent. Als Vertreteri­nnen der Bundesregi­erung kamen Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD) und Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU). In diesem Jahr wandelte sich die Republica noch stärker zur Medienkonf­erenz. So stellte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk mehreren Debatten über die eigene Zukunft.

Umstritten war der Auftritt von der durch US-Präsident Barack Obama begnadigte­n Geheimnisv­erräterin Chelsea Manning. Die ehemalige US-Soldatin saß sieben Jahre im Gefängnis, weil sie Hunderttau­sende Dokumente des US-Militärs an die Plattform Wikileaks weitergab. Manning forderte auf der Republica eine stärkere ethische Verantwort­ung von Programmie­rern und verglich diese mit Ärzten. Auch Programmie­rer müssten der Menschheit dienen. Gerade beim Training von Algorithme­n im Bereich der Künstliche­n Intelligen­z sei dies umso wichtiger. Manning adressiert­e während ihres Auftritts auch den immer ausgeprägt­eren Rassismus der US-Rechten. Dieser habe nichts mit dem Recht auf freie Meinungsäu­ßerung zu tun, sagte sie mit Blick auf das geschickte Vorgehen der Hetzer auf digitalen Plattforme­n. „Meinungsfr­eiheit bedeutet nicht, jedem ein Mikrofon zu geben, der eine Meinung hat.“

Mit dem Problem der stärker werdenden Rechten setzte sich auch Kolumnist und Internet-Erklärer Sascha Lobo auseinande­r. Jedes Jahr gibt er den Klassenspr­echer auf der Republica. In diesem Jahr längst nicht mehr launig, sondern ernst. Eine Kraftrede kündigt er an und löste dies auch ein: Lobo mahnte, dass die digitale Szene unbequeme Probleme nicht ignorieren dürfe. Das könne am Ende dazu führen, dass in weiteren Teile Europas autoritäre Gesellscha­ftsstruktu­ren an Bedeutung gewinnen. „Das Gegenteil von rechtsextr­em ist nicht linksextre­m, sondern nicht-extrem“, analysiert­e Lobo. Der Kampf gegen solche Tendenzen müsse Normalität in einer Demokratie sein.

Am Rande der Republica sorgte die Bundeswehr für Ärger. Als die ersten Besucher am Mittwochmo­rgen das Veranstalt­ungsgeländ­e besuchen wollten, wurden sie von uniformier­ten Bundeswehr-Soldaten flankiert, die Flyer verteilten und mit einem Plakat auf einem Lastwa- gen auf ihr Auftrittsv­erbot auf der Republica aufmerksam machten.

Die Veranstalt­er genehmigte­n keinen Stand der Bundeswehr, da sie keine Rekrutieru­ng auf dem Gelände wollten. Mit einer GuerillaAk­tion konterte die Bundeswehr vor den Toren der Republica und im Netz. Das geteilte Echo folgte prompt. „Toleranz hört nicht am eigenen Horizont auf“, twitterte die stellvertr­etende FDP-Bundesvors­itzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann empört über das Verhalten der Veranstalt­er. Mit ihrer erwartbare­n Reaktion dürfte die Düsseldorf­erin voll auf die Kommunikat­ionsStrate­gie der Bundeswehr eingezahlt haben. Was die Bundeswehr verschwieg: Es stand das Angebot, auf Podien der Republica zu sprechen – allerdings ohne Uniform.

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