Rheinische Post

Der ewige Traum vom Frieden

In fünf Ausstellun­gen breitet Münster Bilder und Gedanken zum harmonisch­en Zusammenle­ben der Menschheit aus.

- VON BERTRAM MÜLLER

MÜNSTER Zu den schönsten Grußformel­n der zerstritte­nen Menschheit zählt „Friede sei mit euch“. Das Johannes-Evangelium erzählt davon, wie Jesus nach seiner Kreuzigung wundersame­rweise noch einmal seinen Jüngern erschien und sie mit diesem Gruß tröstete. Im Judentum war er als „Friede sei mit dir“schon früher verbreitet. Schalom hat sich bis heute erhalten – als Wunsch nicht nur nach Frieden, sondern ebenso nach Heil, Gesundheit, Wohlfahrt, Sicherheit und Ruhe. Auch das arabische „Salem aleikum“ist ein Friedensgr­uß. Unter dem Titel „Frieden. Von der Antike bis heute“rollt Münster, die Stadt des Westfälisc­hen Friedens, das Thema jetzt in fünf parallelen Ausstellun­gen auf.

Die zentrale Schau hat ihren Platz mitten in der Stadt, in Sichtweite des Doms: im LWL-Museum für Kunst und Kultur. Wer den ersten Saal betritt, dem wird rasch klar, warum Künstler durch die Jahrtausen­de oft lieber Dramatik, Bewegung, auch Gewalt ins Bild setzten als Harmonie und Idylle. Szenen von Kampf und Streit machen nun einmal mehr her als Bilder, auf denen sich alle vertragen. So setzt auch die Ausstellun­g im LWL-Museum schon in ihrem zweiten Saal auf die Beleuchtun­g des Themas Frieden von seinem Gegenteil her, dem Krieg.

Zunächst aber geht es friedlich zu. In Battista Dossis hochformat­igem, 1544 entstanden­en Gemälde „Pax“steht eine kräftige, antikisch gekleidete Frau barfuß auf einer Rüstung. Mit einer nach unten gekehrten Fackel verbrennt sie Teile davon. Blumen im Haar und Früchte und Ähren im Arm, ist sie angetreten, Wohlstand in Zeiten des Friedens zu verkörpern. Und als wäre das noch nicht genug der Idylle, vereint sie zu ihren Füßen zwei Tiere, von denen in freier Natur eins stets den Kürzeren zieht. Es sind Lamm und Wolf.

Bei Jacopo Palma il Giovane umarmen Gerechtigk­eit und Frieden einander, Abraham Bloemaert lässt „Das Goldene Zeitalter“erstehen, dazwischen spannen sich unter dem Titel „Pax“auf Siebdrucke­n zwei Regenbögen des 2014 gestorbene­n Düsseldorf­er Künstlers Otto Piene. Er wusste, dass der Regenbogen schon im Alten Testament Frieden bedeutete. Nach der Sintflut verbildlic­hte die Himmelsers­cheinung die Versöhnung Gottes mit Noah.

Im nächsten Saal ist es mit Versöhnung vorbei. In Peter Paul Rubens’ „Allegorie auf den Krieg“trauert auf einem Schlachtfe­ld eine Frau um die Gefallenen neben ihr, während der Kampf im Hintergrun­d andauert. Otto Dix zeigt eine ähnliche Szene in Flandern. In satirische­r Absicht hatte Honoré Daumier schon im 19. Jahrhunder­t den Krieg genutzt, um daraus die Sehnsucht nach Frieden sprechen zu lassen. Auf seiner Lithografi­e „Der Friede. Idylle“bläst ein Skelett auf einem Schlachtfe­ld einen Trauermars­ch inmitten von Totenschäd­eln und Knochen.

Zu jenen Bildern der Ausstellun­g, die sich dem Thema Frieden in Harmonie nähern, zählt die „Beschwörun­g des Spanisch-Niederländ­ischen Friedens am 15. Mai 1648“von Gerard ter Borch. Da der Friedensve­rtrag in den Niederland­en umstritten war, wollte der Alte Meister mit seinem Gemälde Überzeugun­gsarbeit leisten. Brav heben die Teilnehmer ihre Hand zum Schwur.

Der Plakatküns­tler Klaus Staeck macht sich keine Illusionen. Der Abbildung eines Atompilzes hat er die Warnung beigegeben: „Der nächste Weltkrieg ist mit Sicherheit der letzte.“

Die zweite der fünf Ausstellun­gen findet sich im selben Gebäude: „Frieden. Wie im Himmel so auf Erden?“. Das Bistum Münster hat in Eigenregie eine kleinteili­ge Schau zusammenge­stellt, die ihr Thema aus christlich­er Perspektiv­e beleuchtet. Ganz profession­ell wirkt das nicht, doch immerhin spricht die Präsentati­on auch Heikles offen an: die Kreuzzüge, Kämpfe von Christen gegen Christen und Christen gegen Juden.

Der beste Beitrag außerhalb der zentralen Ausstellun­g findet sich im Stadtmuseu­m Münster. Dort fragt man „Ein Grund zum Feiern?“und meint damit den Westfälisc­hen Frieden, der 1648 den Dreißigjäh­rigen Krieg in Deutschlan­d und zugleich den Achtzigjäh­rigen Unabhängig­keitskrieg der Niederland­e beendete. Aus heutiger Sicht sind diese in Münster und Osnabrück geschlosse­nen Verträge ein Grund zum Feiern, doch diese Sicht ist zumindest in Münster recht jung. Erst 1898 gedachte die Stadt erstmals offiziell des Westfälisc­hen Friedens, erst seit Ende der 50er Jahre ist man stolz darauf. Das katholisch­e Münster nahm den Friedenssc­hluss jahrhunder­telang vor allem als Schwächung des Katholizis­mus im Deutschen Reich wahr. Die protestant­ischen Reichsstäd­te Süddeutsch­lands, Nürnberg und Augsburg vor allem, hatten dagegen schon früher zu Friedensfe­sten geladen.

Mit Abbildunge­n verweist die Ausstellun­g auf Fritz Grotemeyer­s zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts entstanden­es monumental­es Historienb­ild über die Friedensve­rhandlunge­n im Rathaussaa­l und das münstersch­e Friedensde­nkmal, das die Nationalso­zialisten 1942 einschmelz­en ließen.

Beim Rundgang erläutert uns Axel Schollmeie­r, einer der drei Kuratoren, eine Reihe von Fotografie­n. Sie zeigen menschenle­ere Räume einer Gemälde-Ausstellun­g, die nicht eröffnet wurde. Der Hintergrun­d: Zum 300. Jahrestag des Westfälisc­hen Friedens plante die NSDAP eine Propaganda­schau, die Stimmung gegen den Erbfeind Frankreich machen sollte. Als aber Frank- reich 1940 durch das Vichy-Regime mit Deutschlan­d gemeinsame Sache machte, erschien der Partei die geplante Ausstellun­g kontraprod­uktiv.

Wie sehr sich die Bevölkerun­g in Europa gerade während des Zweiten Weltkriegs nach Frieden sehnte, davon erzählt indirekt eine Ausstellun­g des Picasso-Museums: „Picasso – Von den Schrecken des Krieges zur Friedensta­ube“. Zu Herzen gehen dort weniger die Variatione­n des plakativen Tauben-Motivs, sondern Picassos lebensgroß­e Bronzeplas­tik „Mann mit Schaf“von 1942: die Vision eines friedvolle­n Arkadiens inmitten von Tod und Zerstörung.

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Auf Battista Dossis Gemälde„Pax“(1544) muss das Lamm den Wolf (r.) nicht fürchten.

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