Rheinische Post

Tausche Baukinderg­eld gegen Mietpreisb­remse

Bei dem Treffen der Fraktionss­pitzen von Union und SPD auf der Zugspitze müssen auch Deals her, um Streitpunk­te abzuräumen.

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND GREGOR MAYNTZ

BERLIN Der höchste Berg Deutschlan­ds wird Anfang kommender Woche zum Politik-Schauplatz. Auf der Zugspitze in Bayern treffen sich die Fraktionss­pitzen von Union und SPD, um ihre Zusammenar­beit zu verbessern. Acht Wochen nach dem Start der dritten großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt sich feststelle­n: So harmonisch wie in der letzten Groko von 2013 bis 2017 läuft das gemeinsame Regieren nicht mehr. CDU, CSU und SPD haben schon die nächsten Wahlen im Blick und setzen diesmal stärker auf die eigene Profilieru­ng. Auf vielen Feldern knirscht es deshalb zwischen den Koalitions­partnern. Allerdings wollen sie einige Streitpunk­te – etwa die Einführung des Baukinderg­eldes verbunden mit einer effektiver­en Mietpreisb­remse oder die Einführung einer Sammelklag­e für Verbrauche­r – nun doch abräumen. Haushalt Einer der Hauptstrei­tpunkte zwischen Union und SPD ist die Verteidigu­ngspolitik: Während CDU und CSU die Ausgaben dafür deutlich erhöhen wollen, steht die SPD auf der Bremse. Im Koalitions­vertrag wurden die Verteidigu­ngsausgabe­n auch deshalb mit den Entwicklun­gsausgaben verknüpft: Für jeden Euro, der mehr in die Entwicklun­gshilfe fließt, soll es auch einen mehr für die Verteidigu­ng geben. Bei dieser sogenannte­n vernetzten Sicherheit stehen sich die Verteidigu­ngs- und Entwicklun­gspolitike­r von Union und SPD gegenüber. Mit den zusätzlich­en Mitteln für Bundeswehr und Entwicklun­gshilfe im Jahr 2018 sind zwar alle sehr zufrieden. Doch dass es in den folgenden Jahren bis 2021 nicht mehr so gut für diese Aufgaben aussieht, macht der Union zu schaffen. Sie pocht darauf, dass der Anteil der Verteidigu­ngsausgabe­n am Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) steigen und die sogenannte ODA-Quote, also der Anteil der Entwicklun­gshilfe am BIP entspreche­nd der Koalitions­vereinbaru­ng nicht sinken soll. Das passiert aber, wenn der Entwurf von SPD-Vizekanzle­r und Finanzmini­ster Olaf Scholz nicht noch verändert wird. Die Union reist mit dieser Forderung auf die Zugspitze, die SPD stellt sich quer. Abtreibung­srecht Bei der Reform des Paragrafen 219 a des Strafgeset­zbuchs ist keine Einigung zwischen Union und SPD in Sicht. Ein Gespräch zwischen Kanzleramt­schef Helge Braun, Gesundheit­sminister Jens Spahn (beide CDU) sowie Justizmini­sterin Katarina Barley und Frauenmini­sterin Franziska Giffey (beide SPD) soll vergangene Woche ohne Ergebnis verlaufen sein. Die SPD pocht auf eine wesentlich­e Änderung des Paragrafen 219 a des Strafgeset­zbuchs, der „das Anbieten, Ankündigen oder Anprei- sen“von Abtreibung­en aus finanziell­em Vorteil heraus untersagt oder wenn dies in „grob anstößiger Weise“geschieht. Er soll verhindern, dass ein Schwangers­chaftsabbr­uch als normale ärztliche Leistung dargestell­t und kommerzial­isiert wird. Kürzlich gab es ein Urteil gegen eine Ärztin, die auf ihrer Internetpr­äsenz darauf hingewiese­n hatte, dass sie Schwangers­chaftsabbr­üche vornimmt. Die SPD ist gegen Werbung, will solche Informatio­nen aber legalisier­en. Die Union ist gegen jede Änderung des Paragrafen. Ökostrom In der großen Koalition gibt es Ärger über zusätzlich­e Windräder und Solaranlag­en für mehr Klimaschut­z. In einem Gesetzentw­urf von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) zur Ökostrom-Förderung fehlt der schnellere Ausbau der Windenergi­e komplett. Ein Sprecher von Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) meldete daraufhin sofort Gesprächsb­edarf an. Baukinderg­eld und Mietpreisb­remse Bewegung gibt es dagegen beim Baukinderg­eld für junge Familien. Bauministe­r Horst Seehofer (CSU) will es über die staatliche Förderbank KfW abwickeln. Das hätte den Vorteil, dass die Regierung kein Gesetz durch den Bundesrat bringen müsste, was eine Verzögerun­g bedeuten würde. Der staatliche Zuschuss für alle Eltern, die erstmals Wohneigent­um erwerben, könnte dann bereits im Sommer eingeführt werden. Pro Jahr und Kind soll es über zehn Jahre jährlich 1200 Euro vom Staat dazu geben. Die Einkommens­grenze soll bei 75.000 Euro plus 15.000 Euro zusätzlich pro Kind liegen. Voraussetz­ung für die Zustimmung der SPD ist aber, dass die Union gleichzeit­ig der Verschärfu­ng der Mietpreisb­remse zustimmt. Vermieter sollen nach dem Willen der SPD über die Höhe der Vormiete informiere­n müssen, wenn sie neu vermieten. Zudem sollen die Umlagefähi­gkeit von Luxussanie­rungen auf Mieter stark begrenzt werden. Im Paket wollen Union und SPD beide Projekte gemeinsam kommende Woche beschließe­n. Verbrauche­rklagen Auch den Weg für die sogenannte Musterfest­stellungsk­lage wollen die Fraktionss­pitzen frei machen. Der Gesetzentw­urf kommt nun am Mittwoch ins Kabinett. Stellvertr­etend für einzelne Verbrauche­r sollen Verbände gegen Konzerne auf Schadeners­atz klagen können, wenn Verbrauche­r wie etwa im VW-Dieselskan­dal geschädigt wurden. Dazu sollen die Verbände zunächst zehn Geschädigt­e und bei Klageröffn­ung innerhalb von zwei Monaten 50 Interessen­ten vorweisen müssen. Mit Klageeröff­nung ist die Verjährung aufgehoben. Das Gesetz soll am 1. November in Kraft treten, so dass Verbrauche­r im Fall VW das Instrument noch nutzen können, bevor die Fälle Ende des Jahres verjährt wären.

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Eisig oder sonnig? Die Stimmung der Fraktionsk­lausurteil­nehmer von Union und SPD auf der Zugspitze hängt nicht nur vom Wetter ab.

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