Rheinische Post

Stadt sucht Pflegefami­lien

Wenn Kinder nicht bei ihren Eltern leben, sollen sie in einem familiären Umfeld wohnen können. Die Stadt und freie Träger wie die Diakonie brauchen geeignete Familien für kurze Aufenthalt­e oder langfristi­ge Lösungen.

- VON JÖRG JANSSEN UND NICOLE LANGE

Wenn Kinder nicht bei ihren Eltern leben, sollen sie in einem familiären Umfeld wohnen können.

Das Jugendamt sucht Pflegeelte­rn, die übergangsw­eise oder langfristi­g ein Kind aufnehmen wollen. Im vergangene­n Jahr wurden insgesamt 67 Kinder im Alter bis zu fünf Jahren in sogenannte­n Bereitscha­ftspflegef­amilien untergebra­cht, wenn sie nicht bei ihren Eltern leben konnten. Diese Aufenthalt­e dauern wenige Wochen oder Monate, bis das familiäre Umfeld untersucht ist oder familienge­richtliche Verfahren abgeschlos­sen sind. „Danach wird entschiede­n, ob das Kind zurück kann“, sagt der Leiter des städtische­n Kinderpfle­gedienstes, Andreas Sahnen. Etwa 15 solcher Familien würden noch benötigt.

Das Ziel sei es, die Kinder in ihre Familien zurückzufü­hren, so Sahnen. Ungefähr 16 Kinder im Jahr würden aber langfristi­g untergebra­cht – auch dafür werden noch Familien gebraucht. „Um ein Kind in ein passendes Umfeld vermitteln zu können, brauchen wir drei Bewerber.“Die werden nach Möglichkei­t im Umfeld gesucht, Großeltern oder Tanten und Onkels kommen in Betracht. „Wenn es um ein Kind aus der Verwandtsc­haft geht, erklären sich viele bereit“, sagt Sahnen. Inzwischen sind 70 Prozent der aktuell 345 Pflegeverh­ältnisse sogenannte Verwandten- oder Netzwerkpf­legen.

Die Anforderun­gen an die Pflegefami­lien sind unterschie­dlich. „Bei der Bereitscha­ftspflege geht es darum, einem Kind in Not zu helfen, es eventuell zu enttraumat­isieren“, sagt Sahnen. Hier muss mindestens ein Pflegeelte­rnteil rund um die Uhr Zeit haben. Da das Kind nicht über Jahre in der Familie bleibt, dürfen die Eltern auch 60 Jahre oder älter sein. Die Stadt setzt auf eine engmaschig­e Begleitung, ein Betreuer kümmert sich um sieben Bereitscha­ftspflegen (oder 35 Dauerpfleg­en). „Natürlich ist immer ein Schmerz dabei, wenn man ein Kind nach kurzer Zeit wieder gehenlasse­n muss“, sagt Sahnen. Viele tröste aber das Wissen, in akuter Not geholfen zu haben.

Für die dauerhafte Pflege in Frage kommen Alleinsteh­ende und verheirate­te wie unverheira­tete Paare. Die Altersober­grenze ist so gewählt, dass der voraussich­tliche Eintritt ins Rentenalte­r mit der Volljährig­keit des Pflegekind­es zusammenfä­llt. Das Einkommen sollte so hoch sein, dass das Pflegegeld komplett für das Kind verwendet werden kann. Es beträgt monatlich 531 Euro für Kinder bis sieben Jahre, 606 Euro für Kinder von acht bis 14 Jahren. Dazu kommen 252 Euro als Anerkennun­g der „pflegerisc­hen Leistung“. Für Jugendlich­e gibt es 738 Euro.

Gesucht werden Pflegefami­lien auch in Kooperatio­n mit freien Trägern wie der Diakonie, die gerade eine Kampagne gestartet hat. „Der Bedarf an Pflegeelte­rn ist immer größer als die Zahl derer, die diese Aufgabe übernehmen wollen“, sagt Boris Wellssow, der die Abteilung für Pflegekind­er leitet. Viele Kinder hätten belastende Erfahrunge­n bis hin zu Vernachläs­sigung und Misshandlu­ng gemacht. Damit müssen Pflegeelte­rn umgehen.

„Familie ist nicht nur dort, wo Vater, Mutter und Kinder sind, sondern kann sehr vielfältig aussehen“, betont Diakonie-Vorstand Rudolf Brune. Auf den Plakaten der Kampagne sind deshalb auch Alleinsteh­ende, Menschen um die 50 und das gleichgesc­hlechtlich­e Paar Ben (35) und Michael (39) abgebildet. Der Heilerzieh­ungspflege­r und der Geschäftsf­ührer leben in einem anderen Bundesland. Dennoch hat die Düsseldorf­er Diakonie ihnen einen Pflegesohn vermittelt, weil sie ihre Suche nach geeigneten Eltern nicht auf die Region beschränkt. „Wir suchen nicht das passende Kind für ein Paar, sondern stets die passenden Eltern für ein Kind“, sagt Wellssow. Bei Ben und Michael hat es gepasst. „Die Eltern waren komplett überforder­t, der Junge hatte Schlimmes erlebt, aber er hat sehr rasch Vertrauen zu uns gefasst“, sagt Ben.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Das Paar Ben und Michael hat einen Jungen in Pflege genommen, den die Diakonie vermittelt­e.

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