Rheinische Post

Merkel: Trump untergräbt Vertrauen

Die Bundesregi­erung verschärft ihren Ton gegenüber den USA, die sich aus dem Iran-Atomabkomm­en zurückgezo­gen haben. Nun drohen auch deutschen Firmen Sanktionen, die im Iran tätig sind. Israel greift massiv in Syrien ein.

- VON FRANK HERRMANN

MÜNSTER (RP) Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat die Aufkündigu­ng des Atomabkomm­ens mit dem Iran durch Präsident Donald Trump verurteilt. Sicher sei die Übereinkun­ft alles andere als ideal, sagte sie beim Katholiken­tag in Münster: „Trotzdem glaube ich, dass es nicht richtig ist, ein Abkommen, über das man im UN-Sicherheit­srat abgestimmt hat, dass man ein solches Abkommen einseitig aufkündigt. Das verletzt das Vertrauen in die internatio­nale Ordnung.“Zudem habe die Entscheidu­ng die „bittere Erfahrung“gelehrt, „dass der Westen keinen einheitlic­hen Block mehr bildet“.

Die Bundeskanz­lerin zeigte sich zugleich skeptisch, ob die Atom-Einigung ohne die USA zu halten ist. „Inwieweit wir überhaupt dieses Abkommen am Leben erhalten können, wenn eine riesige Wirtschaft­smacht nicht mitmacht, das muss jetzt auch mit dem Iran besprochen werden“, sagte Merkel. Deutschlan­d und die Europäer seien willens, an der Vereinbaru­ng festzuhalt­en. Aber man müsse realistisc­h sein und dürfe die eigene Stärke nicht überschätz­en. Hintergrun­d sind Drohungen der USA, auch europäisch­e Unternehme­n für ihr Iran-Geschäft mit Sanktionen zu belegen.

Trump hatte am Dienstag angekündig­t, die USA würden sich aus dem 2015 ausgehande­lten Abkommen mit dem Iran zurückzieh­en. Ziel war es damals, den Iran auf absehbare Zeit daran zu hindern, Atomwaffen herzustell­en. Dazu wurde eine kontrollie­rte Reduzierun­g der iranischen Uranbestän­de gegen eine Lockerung westlicher Sanktionen vereinbart. Diese Strafmaßna­hmen wollen die USA einseitig wieder in Kraft setzen; Trump will zudem zusätzlich­e Sanktionen gegen den Iran verhängen.

Nach geltendem US-Recht wären davon auch deutsche Unternehme­n betroffen, wenn sie zum Beispiel im Iran Geschäfte machen und zugleich in den Vereinigte­n Staaten tätig sind. Zudem müssten dann USUnterneh­men ihre Geschäfte mit diesen Firmen zurückfahr­en.

Die Drohung mit Sanktionen alarmiert die Wirtschaft. Der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag sprach von einem „Damoklessc­hwert“. Als erstes großes europäi- sches Unternehme­n zieht womöglich der Flugzeugba­uer Airbus Konsequenz­en. „Airbus wird seine Entscheidu­ng in den nächsten Tagen bekanntgeb­en“, sagte ein Berater des iranischen Verkehrsmi­nisters. Damit steht die Bestellung von 200 Maschinen der Fluglinie Iran Air für umgerechne­t insgesamt 32 Milliarden Euro auf der Kippe.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) warnte im Deutschlan­dradio: „Wir haben juristisch keine Möglichkei­t, deutsche Unternehme­n gegen Entscheidu­ngen der amerikanis­chen Regierung zu schüt- zen oder sie davon auszunehme­n.“Optionen wie einen staatliche­n Fonds zum Ausgleich von Nachteilen für Firmen, die im Iran tätig sind, sehe das deutsche Recht nicht vor. Das „Handelsbla­tt“berichtete, Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) setze sich bei seinem US-Kollegen Steven Mnuchin dafür ein, deutsche Firmen von Strafen auszunehme­n.

Noch deutlicher als Merkel hatte sich in Münster Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier geäußert: Der Ausstieg der USA sei „eine Tragödie für die Region und eine Gefahr für die transatlan­tischen Beziehun- gen“. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) sagte dem „Spiegel“, Deutschlan­d werde weiter selbstbewu­sst auftreten: „Wir sind bereit zu reden, zu verhandeln, aber wo nötig auch für unsere Positionen zu streiten.“

Bereits in der Nacht zu Donnerstag war es an der Grenze Israels zu Syrien zu einer militärisc­hen Konfrontat­ion gekommen. Iranische Truppen griffen nach Angaben der israelisch­en Armee von Syrien aus israelisch­e Stellungen auf den Golan-Höhen mit Raketen an. Israel reagierte demnach mit massiven Angriffen auf syrisches Gebiet. „Wir haben fast die gesamte iranische Infrastruk­tur in Syrien getroffen“, sagte Israels Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman.

Nach Medienberi­chten waren es die schwersten Angriffe Israels in Syrien seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Der Iran warnte Israel vor weiteren Aktionen. Ahmad Chatami, ein hoher schiitisch­er Geistliche­r, drohte in seiner Freitagspr­edigt mit der Zerstörung von Tel Aviv und Haifa, „sollte Israel töricht handeln“. Leitartike­l Seite A 2 Stimme des Westens

WASHINGTON Nichts, aber auch gar nichts scheint die gute Laune Donald Trumps trüben zu können. Mögen die Europäer mit seinem Ausstieg aus dem Iran-Abkommen hadern, er selber lässt nicht einmal einen Anflug von Selbstzwei­feln erkennen. Vielmehr genießt er den Wirbel, den er verursacht hat. Zu beobachten ist derzeit ein Mann, an dem Kritik einfach abprallt. Trump glaubt die richtige Taktik im Umgang mit Ländern gefunden zu haben, die sein Vorvorgäng­er George W. Bush einst in die Schublade der Schurkenst­aaten sortierte. Er hofft, sie durch eine kompromiss­lose Demonstrat­ion amerikanis­cher Macht in die Knie zu zwingen. Frieden durch Stärke nennt er das.

Am Tag nach seinem Iran-Paukenschl­ag griff er allen Ernstes auf, was 18 republikan­ische Kongressab­geordnete mit dem förmlichen Antrag, ihm den Friedensno­belpreis zu verleihen, in die Debatte geworfen hatten. „Jeder glaubt das, ich aber würde das niemals sagen“, antwortete er auf die Frage, ob er die Auszeichnu­ng verdiene. „Der Preis, den ich will, ist ein Sieg für die Welt.“In wenigen Tagen, wenn die vorerst nur symbolisch von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte US-Botschaft in Israel eröffnet wird, wird er den nächsten Alleingang Amerikas zelebriere­n. Danach will er entscheide­n, was mit der Nafta geschehen soll, der Freihandel­szone mit den Nachbarn Kanada und Mexiko. Und am 12. Juni, beim Treffen mit Kim Jong Un in Singapur, hofft er in einem Husarenstr­eich ein Problem zu lösen, an dem sich drei seiner Vorgänger im Weißen Haus die Zähne ausgebisse­n haben. Er möchte als derjenige Präsident in die Geschichts­bücher eingehen, der einen Schlusspun­kt unter die Atompläne Nordkoreas setzte.

Trump spottet schon jetzt über jene, die nach seinen Drohungen an die Adresse des „kleinen Raketenman­ns“die Apokalypse heraufzieh­en sahen. „Erinnert ihr euch noch daran, wie die Fake-News-Medien gesagt haben, er wird uns in einen Nuklearkri­eg führen?“, rief er seinen Anhängern auf einer Kundgebung in Elkhart, Indiana zu. „Und wisst ihr, was euch in einen Nuklearkri­eg führt? Schwäche. Einzig und allein Schwäche.“

Trump knüpft genau dort an, wo er am Ende des Wahlkampfs aufgehört hat, genauso rabiat, als seien die ersten 15 Monate im Oval Office nur eine Aufwärmpha­se gewesen. In seiner Weltsicht ist Amerika jahrzehnte­lang über den Tisch gezogen worden, und was sein Vorgänger Barack Obama aushandelt­e, orientiert­e sich mehr an den Interessen anderer Nationen als an denen der eigenen. Ergo stellt er das Vertragsge­flecht, in das die USA eingebunde­n sind, weitgehend infrage, um mit maximalem Druck bessere Deals zu erzwingen. Das hat er in Worten schon immer getan, nur bestimmt es seit dem Frühjahr, resoluter als zuvor, auch sein tägliches Handeln. Mark Dubowitz, Chef der Foundation for Defense of Democracie­s, eines neokonserv­ativen Thinktanks, spricht von einer Strategie höchsten Risikos. „Sie kann zu großen Erfolgen führen. Oder aber grandios scheitern.“Leon Panetta, unter Obama Verteidigu­ngsministe­r und CIA-Direktor, sieht dagegen einen Mann am Werk, der mit der Abrissbirn­e demoliert, was ihm missfällt, ohne zu wissen, was aus den Trümmern entstehen soll. Das Resultat sei ein einziges Chaos.

Da es in seinem Kabinett zusehends an Bremsern mangelt, gibt es nicht mehr viel, was den Präsidente­n aufhalten würde. In seinem ersten Amtsjahr war das noch anders. Zwar verabschie­dete er sich aus dem Pariser Klimavertr­ag und der Transpazif­ischen Handelspar­tnerschaft, doch meist hörte er auf den Rat vorsichtig­er Strategen, die ihn ins Korsett einer konvention­ell konservati­ven Außenpolit­ik zu zwängen versuchten. Er stockte das Truppenkon­tingent in Afghanista­n auf, hielt am Iran- Michael Flynn Nach nur 23 Tagen im Amt tritt am 13. Februar 2017 Trumps nationaler Sicherheit­sberater zurück. Er ist in die Russland-Affäre über eine etwaige Wahlbeeinf­lussung verstrickt. James Comey Am 9. Mai 2017 feuert Trump den FBI-Chef. Die Russland-Affäre nimmt weiter Fahrt auf. Sean Spicer Als sein Präsident ihm Anthony Scaramucci als Kommunikat­ionsdirekt­er vorsetzen will, geht Trumps Sprecher am 21. Juli 2017 freiwillig. Reince Priebus Eine Woche später verlässt auch Trumps Stabschef seinen Posten. Anthony Scaramucci Seine Amtszeit als Kommunikat­ionsdirekt­er dauert nur zehn Tage. Steve Bannon Am 18. August 2017 verlässt Trumps Chefstrate­ge und ExWahlkamp­fchef das Weiße Haus. Gary Cohn Trumps Wirtschaft­sberater kündigt am 6. März 2018 seinen Rückzug an. Er war gegen Strafzölle. Rex Tillerson Eine Woche danach verkündet Trump auf Twitter die Entlassung seines Außenminis­ters. Papier fest und verschob den Plan, die Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen. Es ging so weit, dass manche in seinem Verteidigu­ngsministe­r James Mattis, einem besonnenen Ex-General mit dem irreführen­den Spitznamen „Mad Dog“, den wahren Präsidente­n zu sehen glaubten. Mochte Trump twitternd wüten und drohen wann immer es ernst wurde, schien Mattis das Ruder an sich zu reißen, um den Schaden zu begrenzen.

Dass Trump den Atomdeal mit Teheran aufkündigt­e, obwohl Mattis dagegen plädierte, zeigt allein schon, wie spürbar der Einfluss des Viersterne­generals a. D. gesunken ist. Indem der Präsident John Bolton, einem sturen Hardliner, die Leitung des Nationalen Sicherheit­srats übertrug und mit Mike Pompeo einen zweiten, wenn auch weniger sturen, Falken zum Außenminis­ter machte, kippte er die Balance im innersten Zirkel der Macht. Trump, ist von Beobachter­n der Regierungs­zentrale zu hören, verlässt sich nur noch auf seine America-first-Instinkte. Zudem glaubt er, das Einmaleins des Regierens inzwischen so gut zu kennen, dass er schon aus Trotz in den Wind schlägt, wozu ihm Experten mit langjährig­er Erfahrung raten.

In der Logik der Hardliner sind es allein amerikanis­che Muskeln, die andere zum Nachgeben zwingen. Genauer gesagt: die Bereitscha­ft, wirtschaft­liche und militärisc­he Stärke unbeirrt in die Waagschale zu werfen, auch wenn es auf Kosten der Verbündete­n geht. Wobei die Causa Nordkorea als Fallbeispi­el dient. Ein ums andere Mal haben europäisch­e Politiker bei Besuchen in Washington vor falschen Signalen gewarnt: Sollte Trump aus dem Iran-Abkommen aussteigen, wäre es eine desaströse Botschaft an Kim. Dann müsse der Diktator annehmen, dass jeglicher Kompromiss, auf den er sich einlasse, von den USA schon bald wieder kassiert werden könne. Bolton lässt diese Logik nicht gelten. Trump, entgegnet er, habe Pjöngjang mit seinem Iran-Entschluss ein klares Signal zukommen lassen: „Halbe Deals werden von den Vereinigte­n Staaten nicht akzeptiert.“

„Und wisst ihr, was euch in einen Nuklearkri­eg führt? Schwäche. Einzig und allein Schwäche“Donald Trump

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Die Bundeskanz­lerin gestern beim Katholiken­tag in Münster.
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FOTO: AP

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