Hoffnung für Vereine bei Datenschutz
Kanzlerin und Justizministerin wollen die neuen Regeln praktikabel machen.
BERLIN
Angesichts tiefgreifender Verunsicherung bei Bürgern und Betrieben über die Folgen der neuen Datenschutzvorschriften hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Mahnung ausgesprochen, darauf zu achten, dass die Regeln in der Praxis „nicht unpraktikabel“ausfallen. Auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) dringt auf eine unkomplizierte Anwendung.
„Die Europäische Datenschutzgrundverordnung ist ein Meilenstein für den Schutz der persönlichen Daten“, sagte Barley unserer Redaktion. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie verbraucherfreundlich angewandt wird“, betonte die SPDPolitikerin. Das gelte insbesondere für Vereine, Ehrenamtliche und kleine Unternehmen. Jedoch müsse allen Digitalkonzernen, die viel Geld mit persönlichen Daten verdienen, klar sein, dass ihnen künftig „schmerzhafte Sanktionen“von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes drohten.
Merkel räumte ein, dass manche neuen Datenschutz-Regelungen eine „Überforderung“darstellten. Sie wolle sich mit dem in dieser Frage federführenden Innenministerium die Vorgaben noch einmal genauer anschauen. Das Innenministerium nahm zu diesem Vorstoß nicht Stellung.
Im Gegensatz zu anderen EUStaaten hat der deutsche Gesetzgeber von Öffnungsklauseln, die die neue EU-Grundverordnung mög- lich macht, bislang keinen Gebrauch gemacht. Damit fehlt es auch an Klarstellungen, ob zum Beispiel jedes in der Öffentlichkeit geknipste Foto als Datensammlung anzusehen ist und der Fotograf vor einer Veröffentlichung in sozialen Netzwerken erst das schriftliche Einverständnis aller abgebildeten Personen einholen muss. Gleiches gilt etwa für Hochzeitsfotografen.
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Casper kommt in einer Analyse der Verordnung zu dem Ergebnis, dass eine solche gesetzliche Klarstellung in Deutschland „im Sinne der Rechtssicherheit nötig“wäre. Eine derartige Initiative käme aber bis zum Inkrafttreten am 25. Mai zu spät. Leitartikel
Vereine, Betriebe, Fotografen, Blogger – sie alle zittern dem 25. Mai entgegen, wenn die Europäische Datenschutzgrundverordnung scharfgestellt wird. Die großen Datenkraken sollten mit ihr gezähmt werden. Doch die Profis lassen derzeit ihre Nutzer ein Häkchen machen, ohne wirklich besser zu informieren. Dagegen fällt der Politik nun die Kehrseite auf die Füße. Vereine brauchen von ihren Mitgliedern erst einmal das Einverständnis, dass sie überhaupt in Mitgliederverzeichnisse aufgenommen werden dürfen. Firmen fragen sich, ob sie sich strafbar machen, wenn sie ihre Kunden auf dem Laufenden halten. Die Begleitmusik liefern Gerüchte, dass Abmahn-Abzocker die Verunsicherung nutzen, um durch Einschüchterung Kasse zu machen.
Reichlich spät versucht die Kanzlerin darauf zu achten, dass alles praktikabel bleibt. Die Regierung wird ordentlich nachsitzen müssen, um zu verhindern, dass der Rückhalt der Bevölkerung gegenüber Datenschutz durch diese Form von schwer durchschaubarer Überreglementierung zerstört wird.
BERICHT HOFFNUNG FÜR VEREINE BEI DATENSCHUTZ, TITELSEITE