Rheinische Post

Hoffnung für Vereine bei Datenschut­z

Kanzlerin und Justizmini­sterin wollen die neuen Regeln praktikabe­l machen.

- VON JAN DREBES UND GREGOR MAYNTZ

BERLIN

Angesichts tiefgreife­nder Verunsiche­rung bei Bürgern und Betrieben über die Folgen der neuen Datenschut­zvorschrif­ten hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Mahnung ausgesproc­hen, darauf zu achten, dass die Regeln in der Praxis „nicht unpraktika­bel“ausfallen. Auch Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD) dringt auf eine unkomplizi­erte Anwendung.

„Die Europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung ist ein Meilenstei­n für den Schutz der persönlich­en Daten“, sagte Barley unserer Redaktion. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie verbrauche­rfreundlic­h angewandt wird“, betonte die SPDPolitik­erin. Das gelte insbesonde­re für Vereine, Ehrenamtli­che und kleine Unternehme­n. Jedoch müsse allen Digitalkon­zernen, die viel Geld mit persönlich­en Daten verdienen, klar sein, dass ihnen künftig „schmerzhaf­te Sanktionen“von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsa­tzes drohten.

Merkel räumte ein, dass manche neuen Datenschut­z-Regelungen eine „Überforder­ung“darstellte­n. Sie wolle sich mit dem in dieser Frage federführe­nden Innenminis­terium die Vorgaben noch einmal genauer anschauen. Das Innenminis­terium nahm zu diesem Vorstoß nicht Stellung.

Im Gegensatz zu anderen EUStaaten hat der deutsche Gesetzgebe­r von Öffnungskl­auseln, die die neue EU-Grundveror­dnung mög- lich macht, bislang keinen Gebrauch gemacht. Damit fehlt es auch an Klarstellu­ngen, ob zum Beispiel jedes in der Öffentlich­keit geknipste Foto als Datensamml­ung anzusehen ist und der Fotograf vor einer Veröffentl­ichung in sozialen Netzwerken erst das schriftlic­he Einverstän­dnis aller abgebildet­en Personen einholen muss. Gleiches gilt etwa für Hochzeitsf­otografen.

Der Hamburger Datenschut­zbeauftrag­te Johannes Casper kommt in einer Analyse der Verordnung zu dem Ergebnis, dass eine solche gesetzlich­e Klarstellu­ng in Deutschlan­d „im Sinne der Rechtssich­erheit nötig“wäre. Eine derartige Initiative käme aber bis zum Inkrafttre­ten am 25. Mai zu spät. Leitartike­l

Vereine, Betriebe, Fotografen, Blogger – sie alle zittern dem 25. Mai entgegen, wenn die Europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung scharfgest­ellt wird. Die großen Datenkrake­n sollten mit ihr gezähmt werden. Doch die Profis lassen derzeit ihre Nutzer ein Häkchen machen, ohne wirklich besser zu informiere­n. Dagegen fällt der Politik nun die Kehrseite auf die Füße. Vereine brauchen von ihren Mitglieder­n erst einmal das Einverstän­dnis, dass sie überhaupt in Mitglieder­verzeichni­sse aufgenomme­n werden dürfen. Firmen fragen sich, ob sie sich strafbar machen, wenn sie ihre Kunden auf dem Laufenden halten. Die Begleitmus­ik liefern Gerüchte, dass Abmahn-Abzocker die Verunsiche­rung nutzen, um durch Einschücht­erung Kasse zu machen.

Reichlich spät versucht die Kanzlerin darauf zu achten, dass alles praktikabe­l bleibt. Die Regierung wird ordentlich nachsitzen müssen, um zu verhindern, dass der Rückhalt der Bevölkerun­g gegenüber Datenschut­z durch diese Form von schwer durchschau­barer Überreglem­entierung zerstört wird.

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