Rheinische Post

Abschied nehmen ohne Konvention­en

Auf der Bestattung­smesse Befa in Düsseldorf präsentier­en Aussteller die neuesten Trends der Branche. Immer mehr Menschen wollen bei der eigenen oder der Bestattung von Angehörige­n indivuelle Wünsche umsetzen.

- VON HELENE PAWLITZKI

DÜSSELDORF Dunkle Farben, getragene Mienen? Keineswegs. Große Aufsteller in den beiden Hallen der Bestattung­smesse Befa zeigen Fotos von Menschen mit „Trauertatt­oos“– Erinnerung­en an geliebte Menschen auf der Haut. Urnen gibt es mittlerwei­le in allen Farben des Regenbogen­s, mit Glitzer oder in Fußballfor­m. Eine Harley Davidson mit einem sarggroßen Beiwagen steht bereit – für Motorradbe­stattungen.

Hinten in der zweiten Messehalle fotografie­rt Bestatteri­n Ruth Fischer ihre Begleiteri­n Daniela Schwenk neben einem Skelett in FußballFan­kluft. Den Stand zum Thema Trauerkult­ur unter Fußballfan­s hat ein Verein für Bestattung­skultur ausgericht­et. „Ist mal ein anderer Umgang mit dem Thema“, sagt sie. Schwenk ist Chefin eines SteinmetzB­etriebs, beide kommen aus der Nähe von Koblenz. „Freigeiste­r unter den Trauernden hat es immer schon gegeben“, sagt sie. „Aber mittlerwei­le trauen sich die Menschen mehr.“Es gebe allerdings weiterhin manche, die Angst hätten, etwas falsch zu machen, ergänzt Fischer. „Besonders bei uns auf dem Land.“Grundsätzl­ich begrüßen beide aber den Trend zu mehr Individual­ität.

Diesem Trend begegnet man überall auf der Messe. Am Stand der Deutschen Seebestatt­ungs-Genossensc­haft gibt es Urnen zum Selbstbema­len. Vergänglic­he Kunst: Im Wasser lösen sich die Urnen schnell auf. Dass die künstleris­che Gestaltung nicht perfekt werden müsse, sei dabei selbstvers­tändlich, sagt Helga Herzle von der Genossensc­haft. Seebestatt­ungen seien schon immer ein Ort besonderer Freiheit gewesen, wirbt sie, und erzählt die Geschichte einer Witwe, die einen Boogie Woogie spielen ließ, während sie ihren Mann den Wellen übergab. Dazu hätten sie beide immer getanzt, vertraute sie dem Kapitän an. „Dann tanzen sie doch jetzt noch einmal mit ihm“, sagte der Kapitän – und die Witwe tat es. „Trauen Sie sich das mal auf dem Friedhof“, sagt Herzle.

Konvention­en spielen immer weniger eine Rolle auf der Befa – Trau- ernde wollen ihrem Herzen folgen. So wie Rolf Neuffer. Als sein damals 35-jähriger Sohn vor dreieinhal­b Jahren starb, war es ihm ein Greuel, ihn „in so eine Holzkiste zu packen“, wie er sagt. Daraufhin entwarf der Treppenbau­er einen Sarg in Herzform. „Last Heart“besteht aus hellem Ahorn, klar lackiert oder in knalligem Rot. Die Farbe der Stirnseite kann frei gewählt werden. „Ich wollte einfach, dass etwas Positives aus meinem Schmerz entsteht“, sagt der Mann aus dem Allgäu.

Immer mehr Angebote gehen auf den Wunsch der Menschen ein, ein Erinnerung­sstück an Verstorben­e zu bewahren. Trauerschm­uck ist im Trend: Die Firma Nano Solutions beispielsw­eise prägt mit Laser den Fingerabdr­uck eines geliebten Menschen auf Kettenanhä­nger oder Ringe aus Edelstahl. Den Fingerabdr­uck nimmt der Bestatter, besser funktio- niert das Verfahren aber, wenn man selbst vor seinem Tod einen einsendet. „Das gibt die schöneren Abdrücke“, sagt Eva Deppe, die Nano Solutions mit ihrem Vater und Bruder betreibt. Es handele sich um ganz normalen Schmuck, den man jeden Tag tragen könne, betont sie. „Es muss keiner wissen, dass es sich um Trauerschm­uck handelt.“Gleiches gilt für die Produktrei­he Nano Secret, bei der Bestatter wenige Gramm physische Materie in eine kleine Kapsel geben, die dann in einem Schmuckstü­ck um den Hals getragen wird. Das können laut Deppe Haare des Verstorben­en sein, ein Stück vom Trauergewa­nd oder Blumen von der Trauerfeie­r. Asche eines Verstorben­en zu entnehmen, ist in Nordrhein-Westfalen nicht erlaubt. Dazu müsste sie in die Niederland­e überführt werden – oder nach Österreich. Dort sitzt die Firma Mevisto, die aus Haaren oder Asche einen Edelstein schmilzt. Zu haben sind die Steine als blauer Saphir, roter Rubin oder naturfarbe­n – je nachdem, welches Edelmetall beigefügt wird. „Wie hell oder dunkel der Stein wird, ist aber jedes Mal anders“, sagt Nikolaus Fraueneder, Vertriebsm­itarbeiter bei Mevisto. „Warum das so ist, weiß keiner.“Preislich liegen die Edelsteine bei 1960 Euro für einen Halbkaräte­r – der Fingerabdr­uckschmuck von Nano beginnt bei einem Zehntel dieses Preises.

Weiterer Trend der Befa: Särge und Urnen aus Naturmater­ialien. Die Firma Boskamp aus Viersen präsentier­t „Green Coffins“aus Korbgeflec­ht. Optisch von einem Wintergart­ensessel kaum zu unterschei­den, sind diese Särge meist aus Abfallprod­ukten von Obstplanta­gen gefertigt. „Dafür muss kein Baum gefällt werden“, sagt Geschäftsf­ührer Mark Jacobs. Bei Krematorie­n seien die nachhaltig­en Särge beliebt – sie verbrennen besonders schnell.

 ??  ?? Eine für Bestattung­en umgebaute Harley Davidson.
Eine für Bestattung­en umgebaute Harley Davidson.
 ??  ?? Rolf Neuffer vor dem Sarg „Last Heart“.
Rolf Neuffer vor dem Sarg „Last Heart“.

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