„Einem Menschen wie Funkel glaubst du einfach“
Fortunas Routiniers über die Aufstiege 2012 und 2018, den besonderen Geist im Team und die Emotionen beim entscheidenden Tor in Dresden.
Kapitän Oliver Fink (35) und sein Stellvertreter Adam Bodzek (32) sind die letzten Verbliebenen im Fortuna-Kader, die bereits den Aufstieg 2012 mitgemacht haben. Die Mittelfeldspieler zählen noch immer zu den Stützen des Teams. Die Videos mit den Aufstiegszenen aus Dresden erreichen riesige Klickzahlen. Haben Sie sich auch einige davon angesehen? BODZEK An den ersten Tagen nach dem Spiel waren wir noch zu sehr mit Feiern beschäftigt. Dann gerät alles wieder in den Hintergrund, weil man sich ja auf die nächsten Aufgaben vorbereitet. Aber in einer ruhigen Minute kommt alles wieder hoch, und dann schaut man sich auch gern eins der Videos an. Ist schon ein großes Ding, was wir da geschafft haben. Wie ist es beim Kapitän, der ja aus Verletzungsgründen nicht auf dem Platz stehen konnte? FINK Das ist etwas, was ich mir gern noch aufheben möchte. Dieser Aufstieg ist wirklich etwas Besonderes. Ich habe es diesmal aus Fansicht erlebt, 2012 als Spieler in der Relegation gegen Hertha. Ich muss mich öfter mal kneifen, auf die Tabelle gucken und sehen: Wir spielen nächstes Jahr in der Bundesliga. Wie sieht Ihre Erinnerung an den Moment aus, als Rouwen Hennings den entscheidenden Treffer in Dresden machte? BODZEK Ich habe nur gedacht: hinterher, einfach nur hinterher! Es ging ja alles ab nach rechts Richtung Gästekurve, da galt es, die allerletzte Kraft zu mobilisieren und hinter den Jungs hinterherzulaufen. Mir war sofort klar, dass wir es in diesem Moment geschafft hatten. Wie war das für Sie auf der ungewohnten Position in der Kurve? FINK Das war schon verrückt. Wir hatten abgemacht, dass wir Verletzten – falls wir immer noch führen – etwa in der 80. Minute nach unten gehen, abgeholt werden und langsam zur Bank kommen. Dann fällt das 1:1, wir bleiben oben, und in der 90. haut Rouwen das Ding rein, und alles eskaliert da oben. Also Plan B? FINK Ja, da mussten wir alle ganz schnell runter. Fünf oder sechs Leute, von denen jeder irgendeine Krankheit oder Verletzung hat. Eigentlich kann keiner laufen. Aber so schnell, wie wir dann um das Stadion herum sind – das muss ausgesehen haben wie eine Kamelherde. Aber während des Spiels war es für Sie auch nicht so einfach, hört man. FINK Im Grunde war alles gut, es war ja ein attraktives Spiel, in dem wir lange dominant aufgetreten sind. Aber als Florian Neuhaus das 1:0 machte, da gab es einen kurzen Moment der Ekstase, in dem ich so laut und so lange gebrüllt habe, dass mir tatsächlich schwarz vor den Augen geworden ist. Das muss ja dann nach dem 2:1 noch schlimmer gewesen sein, oder? FINK Nein, da war ich ein bisschen cleverer und habe vorher rechtzeitig ein wenig hyperventiliert (lacht). Nun können Sie beide den direkten Vergleich zwischen dem RelegationsAufstieg 2012 mit der folgenden Prozesslawine von Hertha BSC und heute ziehen. Ein Riesenunterschied? BODZEK Wir haben uns schon damals nach dem ganzen Theater gesagt, dass wir es eigentlich irgendwann noch einmal schaffen müssen. Allein schon, um ein bisschen feiern zu können. Damals war es nur ein Abend, in dem alles nach dem verfrühten Platzsturm schon in der Schwebe hing. Schon am Tag danach haben wir dann beim Rathausempfang vom Protest erfahren. Und die Feier war beendet. BODZEK Genau. Keiner wusste, wie es weitergeht, da hätte es nicht gut ausgesehen, wenn wir einfach weitergefeiert hätten. Deshalb: Dass gerade Olli und ich es jetzt noch einmal mit Fortuna geschafft haben, ist schon eine spezielle Geschichte. Ist es auch für Sie, obwohl Sie nicht auf dem Platz stehen konnten, emotionaler und schöner als damals? FINK Das ist schwer zu vergleichen. Beim Relegationsspiel hatte sich alles nach und nach aufgebaut, wie bei einem Vulkan, der dann plötzlich ausbricht. BODZEK Das ist dann eigentlich noch mehr wie ein Finale. FINK Genau. Die Emotionen waren vor sechs Jahren vielleicht in dem Moment sogar noch etwas größer, auch weil wir krasser Außenseiter waren. Dieses Mal war es dann doch ein Stück weit abzusehen. Aber beim Abpfiff in Dresden habe ich dennoch ein paar Tränen verdrückt, weil ich mich so riesig für uns alle gefreut habe. Haben Sie da auch an die vergangenen Jahre gedacht? FINK Ja. Wir haben schließlich zweimal in Folge bis zum Saisonende gegen den Abstieg gespielt. Und jetzt der Aufstieg, das ist schon eine große Sache. Kam der Erfolg für Sie überraschend, nachdem Sie so lange gegen den Abstieg kämpfen mussten? BODZEK Vielleicht geht es etwas zu weit, wenn man sagt: Dieser Aufstieg ist eine Schlussfolgerung aus den schwierigen Zeiten. Aber es hat in jedem Fall eine positive Entwicklung in der Mannschaft gegeben, auch schon während der Vorsaison. Es wurde am Ende noch einmal knapp, weil wir zu viel liegen ließen, aber wir hätten schon da viel besser abschneiden müssen. Trainer Friedhelm Funkel hat schon kurz nach dem Ende der Saison 16/17 in einem RP-Interview gesagt, dass er mit diesem Team und ein paar Verstärkungen um den Aufstieg spielen könne. Hat er es auch intern gesagt? FINK Er hat immer gesagt, dass in der Mannschaft viel Potential stecke, sowohl spielerisch als auch charakterlich. Und so einem Menschen wie ihm, dem glaubst du das einfach. Er war vorher fünfmal aufgestiegen, und er wusste, was man für den großen Wurf braucht. Was haben Sie selbst gedacht? FINK Nach unserem guten Start kommt der Moment, in dem man denkt: Hey, in dieser Saison ist wirklich alles möglich. Dann festigt sich nach und nach der Glaube, dass du etwas Großes erreichen kannst. Also haben Sie schon eher an den Aufstieg geglaubt, als Sie es öffentlich zugegeben haben? BODZEK Ja, ich schon. FINK Ja, ich auch. Manche Sachen will man dann aber einfach nicht aussprechen, weil sie sonst wegfliegen. Ich glaube mein ganzes Leben daran, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Wenn ich zu aufmüpfig werde, im Leben allgemein und im Fußball im Speziellen, dann kriege ich es sofort wieder um die Ohren. BODZEK Und es hätte uns ja auch nicht geholfen, wenn wir öffentlich darüber gesprochen hätten. Sind Sie nach den drei Niederlagen in Folge, vor dem 3:0 gegen Ingolstadt, noch einmal ins Zweifeln gekommen? Das hatte es unter Trainer Funkel ja noch nie gegeben. BODZEK Ich habe nie gezweifelt. Weil wir es schon so oft gezeigt hatten, wie stark wir zurückkommen können. Allein schon nach dem Wahnsinn in Regensburg: 3:0 geführt und 3:4 verloren. Danach haben wir drei Spiele in Folge gewonnen. Wie groß ist Ihr Vertrauen, dass diesmal eine Mannschaft gebastelt wird, die nicht sofort wieder absteigt? FINK Die Leute, die für die Kaderplanung zuständig sind, haben gezeigt, zu was sie imstande sind. Das Netzwerk steht, so dass wieder gute Leute geholt werden können. Wobei mein Grundgedanke ist, dass wir so viele Spieler wie möglich in der Truppe halten sollten. An wen denken Sie konkret? FINK Zum Beispiel an unsere beiden Japaner, Takashi Usami und Genki Haraguchi. Aber generell daran, den sehr positiven Status quo zu erhalten. War das 2012 das Problem? Dass zu viele Neue hinzukamen? BODZEK Da haben wir doch im Winter noch einmal nachgelegt, da waren es am Ende 16 oder 17 Zugänge. Nun kann man sicher nicht sagen, dass es von der Mannschaft her nicht gepasst hat – dann hätten wir in der Hinrunde in der Bundesliga niemals 21 Punkte geholt. FINK Aber im Winter sind dann ein paar Sachen passiert, da haben wir gedacht: Das muss jetzt eigentlich nicht sein. BODZEK Es kamen einfach viele Faktoren zusammen. Klar ist: Der Abstieg damals war völlig unnötig. So etwas dürfen wir uns nie wieder vorwerfen lassen. Ich gehe davon aus, dass wir nächste Saison wieder eine sehr gute Mannschaft haben. Selbst in Phasen, in denen es nicht optimal lief, haben Sie den Eindruck vermittelt, dass in der Mannschaft alles stimmt. War das das wichtigste Erfolgsrezept? FINK Dafür machen wir doch alle Mannschaftssport, sonst könnten wir ja auch Tennis spielen. Weil einer den anderen unterstützt und mitzieht. Es war immer eine gute Energie bei uns. Selbst wenn ich mal nicht so gut drauf war, musste ich nur in die Kabine kommen, und alles war wieder anders. Weil wir immer gespürt haben, dass einer für den anderen da ist. Das ist ein großartiges Gefühl.