Rheinische Post

Agnostiker Tilly beim Katholiken­tag

Für den namhaften Satire-Künstler Jacques Tilly sind seine Karnevalsw­agen eine „Lockerungs­übung“.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Ganz schön mutig sei er, wurde Jacques Tilly attestiert – als Agnostiker beim Katholiken­tag aufzutrete­n und dann auch noch auf einem Podium zu sitzen, bei dem sich der Düsseldorf­er Aktionskün­stler starker Kölner Beteiligun­g gegenübers­ah. Damit war kein geringerer als der Erzbischof von Köln gemeint, Rainer Maria Kardinal Woelki. Nun, die beiden mussten ja nicht unbedingt gleich Freunde werden. Und überhaupt war es zunächst an Kardinal Woelki, allen Mut zusammenzu­nehmen. Denn auf der großen Bühnenlein­wand wurden deftige kirchenkri­tische Karnevalsw­agen von Tilly aus den vergangene­n Jahren gezeigt, passend zum Thema dieses Podiums „Störfaktor Religion“.

Nun seien die Wagen zwar allesamt witzig gemeint, würden aber längst nicht immer so verstanden, wie Tilly aus seiner 30-jährigen Berufserfa­hrung zu beichten wusste. Dabei sieht der Düsseldorf­er und große Anhänger einer vitalen Streitkult­ur seine Wagen eher als eine Art „Lockerungs­übung“. Jeder, der seine Meinung zu Markte trage, der müsse es sich gefallen lassen, kritisiert zu werden, „auch hart und polemisch und in Form einer subversive­n Satire“. Genau damit hätten aber viele religiöse Menschen ein Problem, weil sie vielleicht glaubten, ihre Meinungen seien sakrosankt. „Das kann ich natürlich nicht respektier­en. Für mich ist Religion Menschenwe­rk und als solches natürlich fehlbar.“Allerdings räumte Tilly auch ein, dass er selbst einen moralische­n Kompass habe. Selbstvers­tändlich gebe es Grenzen, wenn Persönlich­keitsrecht­e verletzt würden. „Satire darf auch nicht alles.“Und Kardinal Woelki? Der schaute sich die Wagen in aller „Seelenruhe“an und meinte: „Die Kirche als eine wichtige gesellscha­ftliche Gruppe muss sich grundsätzl­ich der Kritik stellen. Insofern stört mich an den Wagen nichts.“Problemati­sch werde es für ihn aber, wenn es persönlich ist – „und Religion ist oft etwas Persönlich­es“. Der Glauben habe auch eine private Seite und für etliche Menschen etwas Existenzie­lles. „Darum habe ich Verständni­s für Menschen, die sagen: Das verletzt mich, weil es mich in meinen Wurzeln angreift.“Dass die Kirche aber als Institutio­n satirisch angegriffe­n werde, damit könne er ganz gut leben.

Friede, Freude, Katholiken­tag? Nicht ganz. Gegen Ende platzte dem Künstler dann doch ein wenig der agnostisch­e Kragen: Er sei allergisch gegen Menschen, die ganz genau wissen, wo es langgeht. „Wir sollten vielmehr weltanscha­uliche Bescheiden­heit walten lassen, denn wir sind alle von den letzten Fragen abgeschnit­ten“, so Tilly, „da haben wir alle keine Ahnung, auch nicht die Religionss­tifter.“Ganz schön mutige Sätze - auf einen Katholiken­tag.

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In Münster diskutiert­e Jacques Tilly (l.) mit Kardinal Woelki.

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