Löw hält an Gündogan und Özil fest
Der Bundestrainer dachte „zu keiner Sekunde“daran, die beiden Deutsch-Türken wegen ihrer Erdogan-Fotos aus dem WM-Kader zu streichen. Gestrichen hat er Mario Götze. Manuel Neuer ist erstmal dabei – und auch Nils Petersen.
DORTMUND Joachim Löw weiß, was auf ihn zukommt. Als der Bundestrainer gefragt wird, ob er daran gedacht habe, Mesut Özil und Ilkay Gündogan nach ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in welcher Form auch immer zu sanktionieren, antwortet er schmallippig: „Zu keiner Sekunde.“Kurze Pause, dann sagt er weiter: „Das war keine glückliche Aktion. Wenn man für Deutschland spielt, dann vertritt man das Land und die deutschen Werte.“Er habe auch ein „bisschen Verständnis“für die Spieler, weil er wisse, dass bei jenen „mit Migrationshintergrund“zwei Herzen in der Brust schlagen. Teammanager Oliver Bierhoff verdribbelt sich beim Versuch einer Erklärung in der etwas kruden Feststellung: „Man muss natürlich auch verstehen, wie Türken dann auch ticken in so Bereichen.“Gündogan und Özil hätten sich aus Höflichkeit für die falsche Sache einspannen lassen. Sie hätten eigentlich gute Charakter.
Das Fußballmuseum in Dortmund – der DFB hat sich sein neuestes Prestigobjekt als Ort ausgesucht, um gleich eine Reihe von Botschaften zu verkünden. Ursprünglich ging es „nur“um die Nominierung des vorläufigen WM-Kaders. Doch weil sich das bereits im Vorfeld als ein Termin andeutete ohne die ganz großen Sensationen, wurde dramaturgisch noch etwas nachgebessert. Ohne viel Tamtam verkündete DFBPräsident Reinhard Grindel zwei Personalien. Löw mitsamt seinen Assistenten und der Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff haben ihre Verträge vorzeitig verlängert, Löw und Entourage bis 2022, Bierhoff sogar bis 2024. „Ich habe immer gesagt, dass für mich Jogi Löw der beste Trainer für die Nationalmannschaft ist“, sagt Grindel, „ich spüre bei ihm den ungebrochenen Willen, mit der Nationalmannschaft auch in den nächsten Jahren in der Weltspitze zu bleiben, mit ihr will er unbedingt weitere Titel gewinnen.“Löws Vertrag war bislang bis 2020 gültig.
Der Bundestrainer wird übrigens von der Beratungsagentur „Family & Football“in Kooperation mit der in Hannover ansässigen ARP Sportmarketing International GmbH betreut – zu den weiteren Klienten der Firma „Family & Football“zählen unter anderem auch die Nationalspieler Özil und Gündogan.
Und dann erinnert man sich auch noch daran, warum man eigentlich in Westfalen zusammengekommen ist. Der Kader für die WM in Russland. Zunächst muss sich Löw auf 27 Spieler festlegen, das endgültige Aufgebot muss er bis zum 4. Juni benennen. Seine Entscheidungen fallen nicht besonders überraschend aus. Manuel Neuer ist zunächst dabei, ob er aber wirklich ein Rückhalt im Turnier sein kann, darüber will sich Löw ab der kommenden Woche selbst ein Bild machen. Für ihn ist das Risiko überschaubar, in MarcAndré ter Stegen vom FC Barcelona hat er einen weiteren Schlussmann mit dem Prädikat Weltklasse als Alternative, dahinter die Stellvertreter Bernd Leno und Kevin Trapp.
Dass Mario Götze es nicht geschafft hat, der Siegtorschütze im WM-Finale 2014, habe ihn natürlich geschmerzt: „Mein Job als Bundes- trainer ist es leider auch, Träume platzen zu lassen.“Götze habe eine schwierige Saison bei Borussia Dortmund hinter sich, er sei aber davon überzeugt, dass er sich wieder steigern könne – in Marco Reus ist somit nur noch ein Spieler des BVB im Aufgebot dabei.
Für mehr Überraschung sorgte, dass sich der 58-Jährige für den Freiburger Nils Petersen und gegen Sandro Wagner vom FC Bayern entschieden hat. „Die Nominierung ist eine sehr große Ehre für mich. Ich habe damit nicht wirklich gerechnet und bin sehr dankbar. Die Chance, dabei sein zu können, ist die Krönung der Saison“, sagt Petersen. Der 29-Jährige absolvierte bislang noch kein A-Länderspiel, scheint aber in Löws Planungen eine sehr konkrete Rolle für die WM zu spielen: „Von ihm verspreche ich mir einiges. Er ist auch ein sehr, sehr guter Joker.“
Vor der WM stehen noch zwei Länderspiele gegen Österreich in Klagenfurt (2. Juni) und Saudi-Arabien in Leverkusen (8. Juni) an. Die Mannschaft bricht am 12. Juni von Frankfurt aus nach Russland auf, wo sie in Watutinki nahe Moskau Quartier beziehen wird. Am 17. Juni startet sie in Moskau gegen Mexiko ins Turnier, weitere Gruppengegner sind Schweden (23. Juni in Sotschi) und Südkorea (27./Kasan).