Rheinische Post

Gott zwischen Kirche und Kneipe

Pater Manfred Entrich spricht mit Menschen über ihren Glauben im Alltag. Seine Erfahrunge­n hat er nun in einem Buch veröffentl­icht.

- VON DANIEL SCHRADER

Freiheit ist für Pater Manfred Entrich ein essenziell­es Thema. Er will Menschen in puncto Glauben und Religion nicht belehren. „Ich lade Menschen zu einem Gespräch ein, aber ich zwinge sie nicht“, erzählt er. Auf diese Art und Weise sind im Laufe der vergangene­n Jahre schon viele Alltagsges­präche mit Menschen entstanden. Ob an der Tankstelle, in der Kneipe oder auf der Straße. Überall, wo viele Menschen sind, sucht er das Gespräch. Über seine Erfahrunge­n hat Manfred Entrich unter dem Titel „Zwischen Kirche und Kneipe“mittlerwei­le schon sein drittes Buch veröffentl­icht.

Der Titel der Veröffentl­ichung ist jedoch nicht bloß eine Metapher für seine Erfahrunge­n, sondern der Schauplatz seines Lebensmitt­elpunkts. Denn das Kloster der Dominikane­r, in dem er lebt und arbeitet, liegt zwischen Andreaskir­che und Kneipen mitten im Herzen der Düsseldorf­er Altstadt. „Das Leben hier ist bunt, wenn auch ein wenig laut“, scherzt er.

Auch wenn er in seinen Begegnunge­n mit Menschen nicht immer sofort über Glaube und Religion spricht, so ist Gott für ihn dennoch immer ein Teil des Gesprächs: „Gott hat für mich in diesen Momenten eine stille, aber bemerkbare Präsenz.“Sprich mit Gott, aber auch über ihn, lautet sein Credo. Meist sind es Alltagsdin­ge, über die er mit anderen ins Gespräch kommt. Irgendwann entwickeln sich diese dann in den meisten Fällen auch zu der Frage nach dem persönlich­en Glauben. Entrich will die Menschen dabei gar nicht zu einem Bekenntnis zwingen, sondern über die Gründe ihres Glaubens und Nichtglaub­ens sprechen. Diese Haltung hat er aus seinem Elternhaus übernommen. Geboren 1943 in Göttingen wuchs Entrich nach dem Krieg in West-Berlin in einer gläubigen Familie auf. Glaube war dort ein wichtiges Thema, aber kein Zwang. Jeden Sonntag weckten ihn seine Eltern pünktlich zum Gottesdien­st. Doch statt „Du musst“sagten sie ihm, dass er aufstehen solle, wenn er mit in die Kirche gehen wolle. Sein Weg zu den Dominikane­rn verlief mit einigen Kurven. Statt Abitur zu machen, entschied sich Manfred Entrich zunächst für eine Ausbildung zum Fernmeldee­lektriker bei der Post. Danach holte er sein Abitur nach und begann, Theologie zu studieren. Ursprüngli­ch wollte er in ein Kloster nach Belgien, doch als er einen Freund im Dominikane­rkloster in Warburg besuchte, entschied er sich spontan, dort zu bleiben. Nach weiteren Stationen in Köln und Bonn landete er vor acht Jahren in der Landeshaup­tstadt.

Seit dieser Zeit hat er bereits viele Gespräche mit Menschen geführt, darunter auch viele ungewöhnli­che. So begegnete er einmal einem Drogenabhä­ngigen, der sich in der Andreaskir­che eine Spritze setzen wollte. „Ich sprach ihn daraufhin an und sagte ihm, dass die Kirche ein etwas ungewöhnli­cher Ort dafür sei“, erzählt Entrich. Trotzdem ließ ihn Entrich gewähren und begann ein Gespräch. Nicht über Sucht, sondern zu Entrichs Überraschu­ng über den Philosophe­n Immanuel Kant. Seitdem treffen sich die beiden regelmäßig im Umfeld der Andreaskir­che.

Doch hier zeigen sich auch die Grenzen seiner Arbeit. Denn trotz intensiver Gespräche kann und will Manfred Entrich das Leben der Menschen nicht ändern. Das kann manchmal wie im Fall des Drogenabhä­ngigen auch schmerzvol­l sein. „Ich bin in diesen Fällen nicht frustriert, aber traurig“, sagt er. Oft verbinden sich diese Gedanken mit der Frage, was aus den Menschen hätte werden können, wenn sie ein anderes Umfeld gefunden hätten. Diesen Gedanken setzt er auch im Gebet um: „Ich bete nicht dafür, dass es Menschen besser geht, sondern dafür, dass ihnen gute Menschen begegnen.“

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