Rheinische Post

Leidenscha­ft auf kleiner Flamme

„Nach einer wahren Geschichte“heißt der neue Thriller von Roman Polanski. Über Mittelmaß reicht er nicht hinaus.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Das Etikett „nach einer wahren Geschichte“wird im Kino ja ein wenig inflationä­r in Gebrauch genommen. Die vermeintli­che Authentizi­tät soll dem Gesehenen auf der Leinwand das zusätzlich­e Gewicht des Geschehene­n verleihen. Aber was soll das überhaupt sein, „eine wahre Geschichte“? Der Begriff ist ohnehin ein Widerspruc­h in sich, denn das „Wahre“geschieht nun einmal im echten Leben, und Geschichte­n sind immer etwas Erzähltes, Geformtes und damit Fiktives. Abend taucht Elle auf einer langweilig­en Verleger-Party auf, und bei ein paar Wodkas in der Küche beginnen sich die beiden Frauen anzufreund­en. Elle schreibt als Ghostwrite­rin Bücher für Promis und bleibt im Gegensatz zu Delphine in der öffentlich­en Wahrnehmun­g unsichtbar. Innerhalb kürzester Zeit nistet sie sich im Leben der Bestseller-Autorin ein, die gerade an einer Schreibblo­ckade leidet und die Hilfsangeb­ote der neuen Freundin gerne annimmt. Ehe Delphine es sich versieht, be- ginnt Elle ihre E-Mails zu beantworte­n und die kriselnde Kollegin von der Außenwelt abzuschirm­en. Schließlic­h zieht sie mit in die Wohnung ein und übernimmt sogar als Double den Vortrag vor einer Schulklass­e.

Als Delphine sich ein Bein bricht, scheint sie ganz der übergriffi­gen Freundin ausgeliefe­rt, die in Rage geraten auch schon einmal wehrlose Küchengerä­te mit dem Nudelholz zertrümmer­t. Diese Frau hat offensicht­lich biografisc­h bedingte Probleme, und genau das weckt Delphines Interesse als literarisc­he Inspiratio­nsquelle. Und schon bald ist nicht mehr klar, wer hier eigentlich wessen Leben in Besitz nimmt.

Auf kleiner Flamme lässt Roman Polanski seinen Psychothri­ller vor sich hin köcheln. Das Drehbuch nach dem Roman von Delphine de Vigan hat der 84-jährige Regisseur zusammen mit Olivier Assayas entwickelt, der zuletzt in „Personal Shopper“seinen eigenen Zugang zum Thriller-Genre suchte. Genau- so wie die beiden Hauptfigur­en das Leben der jeweils Anderen in Gebrauch nehmen, bedienen sich auch Polanski und Assayas in der Wahl ihrer Motive in der Genregesch­ichte.

Von Rob Reiners Stephen-KingVerfil­mung „Misery“bis zu Polanskis eigenem „Ghostwrite­r“reicht der Zitate-Katalog. Großzügig werden Erwartungs­haltungen bedient. Dass sich hinter den feurigen Blicken und dem knallroten Lippenstif­t von Eva Green Gefahr verbirgt, Bewertung:

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Emmanuelle Seigner (l.) als Schriftste­llerin Delphine und Eva Green als die mysteriöse Fremde namens Elle.

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