Leidenschaft auf kleiner Flamme
„Nach einer wahren Geschichte“heißt der neue Thriller von Roman Polanski. Über Mittelmaß reicht er nicht hinaus.
Das Etikett „nach einer wahren Geschichte“wird im Kino ja ein wenig inflationär in Gebrauch genommen. Die vermeintliche Authentizität soll dem Gesehenen auf der Leinwand das zusätzliche Gewicht des Geschehenen verleihen. Aber was soll das überhaupt sein, „eine wahre Geschichte“? Der Begriff ist ohnehin ein Widerspruch in sich, denn das „Wahre“geschieht nun einmal im echten Leben, und Geschichten sind immer etwas Erzähltes, Geformtes und damit Fiktives. Abend taucht Elle auf einer langweiligen Verleger-Party auf, und bei ein paar Wodkas in der Küche beginnen sich die beiden Frauen anzufreunden. Elle schreibt als Ghostwriterin Bücher für Promis und bleibt im Gegensatz zu Delphine in der öffentlichen Wahrnehmung unsichtbar. Innerhalb kürzester Zeit nistet sie sich im Leben der Bestseller-Autorin ein, die gerade an einer Schreibblockade leidet und die Hilfsangebote der neuen Freundin gerne annimmt. Ehe Delphine es sich versieht, be- ginnt Elle ihre E-Mails zu beantworten und die kriselnde Kollegin von der Außenwelt abzuschirmen. Schließlich zieht sie mit in die Wohnung ein und übernimmt sogar als Double den Vortrag vor einer Schulklasse.
Als Delphine sich ein Bein bricht, scheint sie ganz der übergriffigen Freundin ausgeliefert, die in Rage geraten auch schon einmal wehrlose Küchengeräte mit dem Nudelholz zertrümmert. Diese Frau hat offensichtlich biografisch bedingte Probleme, und genau das weckt Delphines Interesse als literarische Inspirationsquelle. Und schon bald ist nicht mehr klar, wer hier eigentlich wessen Leben in Besitz nimmt.
Auf kleiner Flamme lässt Roman Polanski seinen Psychothriller vor sich hin köcheln. Das Drehbuch nach dem Roman von Delphine de Vigan hat der 84-jährige Regisseur zusammen mit Olivier Assayas entwickelt, der zuletzt in „Personal Shopper“seinen eigenen Zugang zum Thriller-Genre suchte. Genau- so wie die beiden Hauptfiguren das Leben der jeweils Anderen in Gebrauch nehmen, bedienen sich auch Polanski und Assayas in der Wahl ihrer Motive in der Genregeschichte.
Von Rob Reiners Stephen-KingVerfilmung „Misery“bis zu Polanskis eigenem „Ghostwriter“reicht der Zitate-Katalog. Großzügig werden Erwartungshaltungen bedient. Dass sich hinter den feurigen Blicken und dem knallroten Lippenstift von Eva Green Gefahr verbirgt, Bewertung: