Conte soll italienische Regierung bilden
Das angestrebte Regierungsbündnis könnte laut Experten mit überbordender Ausgabenpolitik eine neue Euro-Krise auslösen.
ROM (dpa/rtr) Der italienische Präsident Sergio Mattarella hat dem politischen Neuling Giuseppe Conte das Mandat zur Regierungsbildung erteilt. Mit der Entscheidung kann der Juraprofessor nun eine Liste mit seinen potenziellen Kabinettsmitgliedern aufstellen. Nach dem zweistündigen Treffen mit dem Staatspräsidenten erklärte Conte gestern Abend, er sei sich der italienischen Verpflichtungen in Europa und der Welt bewusst. Seine Regierung werde eine Regierung des Wandels werden.
Conte will sich nach eigenen Worten in den kommenden Tagen erneut mit Mattarella treffen. Conte steht der populistischen Fünf-Sterne-Partei nahe, die mit der rechten Lega eine Koalition bilden will. Die Parlamentswahl war ohne klaren Sieger ausgegangen. Die Lega bekam in einem Mitte-Rechts-Bündnis mehr als 17 Prozent der Stimmen, die Fünf-Sterne-Bewegung wurde stärkste Einzelpartei mit mehr als 32 Prozent. Zusammen haben sie die Mehrheit im Parlament.
In Brüssel und Deutschland wird die mögliche künftige Regierung mit Skepsis gesehen, da sie trotz der horrenden Staatsverschuldung Italiens Mehrausgaben etwa durch Steuersenkungen plant und auf Distanz zur EU gehen könnte. Auch gibt es Befürchtungen, dass Conte als Quereinsteiger in die Politik zur Marionette der Parteichefs Luigi Di Maio und Matteo Salvini werden könnte.
BERLIN Kurz vor der Bildung einer populistischen Regierung in Italien ist die Nervosität in der EU groß. Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici appellierte an Rom, Haushaltsdefizite und die Staatsverschuldung weiter zu senken. Derzeit sei das Land auf dem richtigen Weg und erfülle die Kriterien des Stabilitätsund Wachstumspaktes, sagte Moscovici.
Italien ist bereits mit knapp 132 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet, nach Griechenland ist das der zweithöchste Wert in Europa. Er- laubt sind 60 Prozent, die jährliche Neuverschuldung darf zudem drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Doch die Ausgabenpläne der angepeilten Regierungskoalition aus rechtsnationaler Lega und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung könnten die Schulden deutlich erhöhen.
So warnte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, eindringlich vor den Versprechen der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung: „Die Haushaltspolitik der italienischen Populisten ist brandgefährlich“, sagte er unserer Redaktion. Das Haushaltsdefizit könne von zuletzt 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf sieben Prozent steigen – und das bei einer Staatsschuld, die mehr als doppelt so hoch sei, wie der Maastricht-Vertrag maximal erlaube. „Dass die Staatsschuldenkrise nicht zurückkehrt, liegt nur an der EZB, die bald ein Drittel aller italienischen Staatsanleihen gekauft hat“, sagte Krämer. Die Europäische Zentralbank sei mal wieder der Ausputzer. Der Chefvolkswirt sieht die EZB aber auch in der Verantwortung. „Damit hat die EZB die Populisten ja erst zu ihrer verantwortungslosen Haushaltspolitik ermuntert“, sagte er.
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, Michael Hüther, sieht politische Parallelen zur Eurokrise in Griechenland. „Die Pläne der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega werden nicht aufgehen. Man erinnere sich an den Start der Regierung des griechischen Premiers Alexis Tsipras und seiner Partei, die den Menschen auch das Blaue vom Himmel versprochen hatten und am Ende die Realitäten akzeptieren mussten. Eine lange Haltbarkeit wird dieser Kurs nicht haben“, sagte Hüther. Die künftigen Koalitionäre in Italien seien dabei, das Land in eine Situation hineinzu- reiten, in der ihnen niemand mehr helfen könne. Italien sei zu groß, um gerettet zu werden. „Am Ende wird sich eine Regierung an den Bürgern schadlos halten und die Steuern erhöhen müssen“, betonte Hüther.
Unterdessen haben die Sorgen um die künftigen Beziehungen Italiens zur EU auch die Finanzmärkte belastet. Der Dax fiel bis zum Mittwochnachmittag um 1,8 Prozent auf 12.936 Punkte, der Eurostoxx 50 verlor 1,6 Prozent auf 3528 Zähler. Bei den italienischen Staatsanleihen ging der Ausverkauf weiter, und auch der Euro geriet unter Druck. „Italien ist die Achillesferse der Eu- rozone“, fasste Analyst Eugen Keller vom Bankhaus Metzler die Stimmung zusammen. Fondsmanager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners gab sich ebenfalls pessimistisch. „Italien ist groß genug und verschuldet genug, um eine Eurokrise 2.0 im Alleingang auszulösen“, sagte er.
Staatspräsident Sergio Mattarella gab Conte gestern Abend den Regierungsauftrag als Ministerpräsident. Die künftige Regierung muss noch vom Parlament bestätigt werden, in dem beiden Parteien aber eine Mehrheit haben. Die Abstimmung wird für kommende Woche erwartet.