In New York lieben sie Pastrami über alles. Wir erklären, wie man es selber macht.
Erst gepökelt, dann geräuchert: Seit 100 Jahren lieben die New Yorker Pastrami. Wir haben uns an eine deutsche Kopie gewagt. VON MATTHIAS BEERMANN
Bis heute hängt im ehrwürdigen New Yorker Sandwich-Laden Katz’s Deli ein Hinweisschild über jenem Tisch, an dem vor 30 Jahren eine legendäre Filmszene gedreht wurde: In „Harry und Sally“simuliert die Hauptdarstellerin (Meg Ryan) inmitten der anderen Gäste vernehmlich stöhnend einen Orgasmus. Prompt ordert eine ältere Dame am Nebentisch: „Für mich dasselbe, was sie hatte!“Und Sally hatte natürlich ein Pastrami-Sandwich, das bei Katz’s schon fast obszön dick belegt ist mit hauchdünn geschnittenem Rindfleisch. Fast sieben Tonnen davon gehen bei Katz’s Woche für Woche über die Theke, aber eigentlich serviert jeder New Yorker Jewish Deli, der etwas auf sich hält, selbst gemachtes Pastrami. Inzwischen ist die Spezialität auch in Deutschland zu bekommen. Aber immer noch eher selten und nie so lecker wie in New York.
Also, warum Pastrami nicht einfach selber machen? Im Grunde ist Pastrami, das zwar italienisch klingt, aber im 19. Jahrhundert wohl von jüdischen Einwanderern aus Rumänien nach Amerika gebracht wurde, ja nur ein Stück Rindfleisch, das zuerst gepökelt und dann geräuchert wird. Vermutlich diente diese zweifache Konservierung zunächst ganz schlicht einer Verlängerung der Haltbarkeit zu einer Zeit, in der es noch nicht in jedem Haushalt einen Kühlschrank gab. Dafür muss man bis heute dankbar sein, denn die urige Zubereitungsmethode sorgt zusammen mit einer kräftigen Würzmischung für diesen unverwechselbaren salzigen und rauchigen Geschmack, der Pastrami so teuflisch lecker macht.
Der Teufel steckt allerdings im Detail. Das geht schon damit los, dass es Dutzende angebliche Original-Rezepte gibt. In den USA wird auf jeden Fall zwischen Pastrami New York Style, das schärfer gewürzt ist, und dem milderen Pastrami American Style unterschieden. Die Amerikaner verwenden für die Herstellung traditionell das Bruststück vom Rind, das Brisket. Diesen Zuschnitt gibt es in Deutschland nicht an jeder Ecke. Man kann aber auch Stücke aus der Rinderschulter verwenden oder zum Beispiel Tafelspitz – also eher ein Stück zum Schmoren, doch es sollte auf jeden Fall etwas Fett haben. Und wenn man nicht wochenlang auf den ersten Biss in sein selbst gemachtes Pastrami-Sandwich warten will, sollte es auch nicht zu groß sein: ein Kilogramm reicht völlig aus.
Dann geht es an die Zubereitung der Pökellake, und damit schon ans nächste Hindernis. Haben Sie schon mal versucht, in Deutschland Pökelsalz zu kaufen? Es enthält Nitrit, man sollte es in der Küche also tunlichst nicht mit normalem Speisesalz verwechseln. In anderen Ländern wird Pökelsalz zur Warnung eingefärbt, bei uns nicht. Deswegen findet man es aber auch in keinem Supermarktregal. Zum Glück gibt es Anbieter im Internet, oder man führt ein diskretes Gespräch mit dem Metzger seines Vertrauens.
Die Lake wird je nach Rezept aus dem Pökelsalz, verschiedenen Würzzutaten und Wasser zusam- mengemischt. In unserem Fall: 80 g Pökelsalz, 40 g brauner Zucker, 40 g schwarzer Pfeffer, zwei geviertelte Zwiebeln, vier Knoblauchzehen, drei Lorbeerblätter, ein TL Wacholderbeeren, zwei EL Koriandersaat (zerstoßen), ein Liter Wasser. Wer es scharf mag, gibt noch ein paar Chilis dazu. Die Lake kurz aufkochen. Für unser Kilostück Rind reicht der Liter Flüssigkeit, der nach Abkühlung mit dem Fleisch in ein nichtmetallisches Gefäß mit Deckel gegeben wird. Das Fleisch muss von allen Seiten mit der Lake bedeckt sein und kommt für acht bis zehn Tage in den Kühlschank. Gelegentlich wenden kann nicht schaden, damit die Lake gleichmäßig eindringen kann.
Nach dem Pökeln geht es ans Räuchern. Da sind Garten- oder wenigstens Balkonbesitzer klar im Vorteil. Ideal ist ein sogenannter Smoker, aber ein Kugelgrill tut es auch. Das Fleisch wird vorab großzügig in einer trockenen Gewürzmischung (Rub) gewendet: Vier EL schwarzer Pfeffer, ein EL roter Pfeffer, drei EL Koriandersaat (leicht zerstoßen), ein EL Thymian, ein TL Knoblauch- pulver, ein halber TL Ingwer. Das so präparierte Fleisch muss nun bei indirekter Hitze, bei 120 bis 140 Grad, geräuchert werden – also nicht über, sondern neben den glühenden Kohlen, auf die man eine Handvoll gewässerte Buchenholzstückchen gibt. Die bekommt man in Grillfachgeschäften oder auch in Baumärkten. Es soll in Großstädten lebende Pastrami-Fans geben, die die Zubereitung notgedrungen in ihren Backofen verlegen und für den Rauch einige glimmende Holzstückchen in einem Metallsieb dazugeben (Umluft zuschalten verboten!). Wem das zu riskant erscheint, dem hilft folgender Trick: Das Fleisch vor dem Garen großzügig mit geräuchertem Paprikapulver einreiben. Ist geschmacklich zwar nur ein Kompromiss, aber allemal besser als eine abgefackelte Küche.
Das Räuchern kann gut und gerne vier bis fünf Stunden dauern, manchmal sogar noch länger. Nur Geduld! Und auf keinen Fall die Hitze erhöhen. Das Pastrami ist fertig, sobald die Kerntemperatur des Fleisches 75 Grad erreicht. Ein Bratenthermometer ist also extrem hilfreich. Vor dem Aufschneiden erst etwas abkühlen lassen. Wenn alles gut gelaufen ist, ist das Fleischstück innen durchgehend rosig und hat an den Rändern vom Räuchern einen zarten Ring. Sollte das Fleisch im Kern noch blass sein, konnte die Pökellake nicht tief genug eindringen, was aber nur ein Schönheitsfehler ist. Man kann das Pastrami vor dem Verzehr noch in Brühe dämpfen (so machen sie es bei Katz’s), aber es lässt sich auch einfach kalt als Brotaufschnitt verwenden.
Besonders lecker ist Pastrami in einem Reuben-Sandwich, dessen Erfindung Arnold Reuben, einem deutsch-jüdischen Einwanderer, zugeschrieben wird, der es 1914 in seinem Deli für eine ausgehungerte Schauspielerin kreiert haben soll. Andere halten dagegen Reuben Kulakofsky für den Namensgeber, einen Kolonialwarenhändler aus Omaha, der mit dem Sandwich angeblich seine Freunde während langer Pokerrunden verköstigte.