Mehr als 4500 Straftäter frei
Viele Haftbefehle werden von der Justiz nicht vollstreckt. Eine Statistik fehlt.
DÜSSELDORF In Nordrhein-Westfalen sind mindestens 4512 zu Gefängnisstrafen verurteilte Personen nicht in Haft. Gegen die Straftäter liegen Vollstreckungshaftbefehle vor. Das bedeutet, sie müssen die Haftstrafe antreten, sind der Ladung aber nicht nachgekommen oder flüchtig. Den Personen drohen Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr ohne Ersatzfreiheitsstrafen. Die Zahl geht aus einem Bericht des Justizministeriums hervor, der unserer Redaktion vorliegt.
Das Ministerium beruft sich dabei auf eine „aufwendige händische Recherche“des Landeskriminalamts (LKA) vom 16. Mai. Zu diesem Stichtag waren im Fahndungsbestand des LKA 4512 Strafvollstreckungshaftbefehle und 81 Untersuchungshaftbefehle erfasst. Diese Zahlen seien jedoch bloß eine Momentaufnahme. Offizielle Statistiken über nicht vollstreckte Haftbefehle gibt es laut Ministerium nicht. Dies sei mit „vertretbarem Verwal- tungsaufwand nicht zu leisten“, heißt es in dem Bericht an den Rechtsausschuss. Dieser befasst sich morgen mit dem Thema.
Bei den 81 Untersuchungshaftbefehlen, die bei einem schwerwiegenden Tatverdacht ausgestellt werden, sind die Beschuldigten beziehungsweise Angeklagten laut Bericht oftmals flüchtig. Im Bereich der Staatsanwaltschaft Paderborn konnte ein Haftbefehl wegen Totschlags nicht vollstreckt werden, weil der Tatverdächtige sich in die Türkei abgesetzt hat, schreibt das Ministerium. Dort sei er wegen desselben Sachverhalts in Untersuchungshaft genommen worden.
Bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf eröffnet morgen Justizminister Peter Biesenbach (CDU) die Zentralstelle Terrorismusverfolgung Nordrhein-Westfalen. Erste Zahlen der Stelle, die die Strafverfolgung im Bereich Terrorismus im Land bündeln soll, befinden sich ebenfalls in dem Bericht. Derzeit seien 17 Untersuchungshaftbefehle offen. Den Verdächtigen wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Ein weiterer nicht vollstreckter Untersuchungshaftbefehl besteht wegen einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.