Rheinische Post

Bundesregi­erung gerät in Bamf-Affäre unter Druck

Das Parlament soll die offenen Fragen im Asyl-Skandal klären. Es sind so viele, dass ein Untersuchu­ngsausschu­ss wahrschein­lich ist.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN In einer Sondersitz­ung wollen die Mitglieder des Innenaussc­husses im Bundestag heute das Dickicht im Skandal um das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) lichten. Sollten die Antworten von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und Amtschefin Jutta Cordt nicht befriedige­nd ausfallen, droht wohl ein Untersuchu­ngsausschu­ss. Was soll die Sondersitz­ung des Innenaussc­husses bringen? Die Mitglieder im Innenaussc­huss wollen vor allem erfahren, wann welche Verantwort­lichen etwas erfahren haben. So ist etwa unklar, seit wann Amtschefin Jutta Cordt weiß, dass in der Bremer Außenstell­e zwischen 2013 und 2016 mutmaßlich 1200 Aufenthalt­sbescheide für Flüchtling­e unrechtmäß­ig ausgestell­t wurden. Die Grünen haben einen achtseitig­en Fragenkata­log ans Innenminis­terium geschickt. Sie wollen unter anderem auch erfahren, wie groß der Aufklärung­swille tatsächlic­h war. Wie stark ist Seehofer unter Druck? Der neue Bundesinne­nminister ist kurz genug im Amt, dass er über Verfehlung­en der Vergangenh­eit nicht stolpern wird. In den vergangene­n drei Wochen ist es ihm aber auch nicht gelungen, überzeugen­d als Aufklärer aufzutrete­n. Seine Äußerung vom Wochenende, die Asylorgani­sation umzubauen, musste eine Sprecherin gestern relativier­en. Sie sagte, es lägen keine Pläne für eine komplette Umorganisa­tion des Asylsystem­s vor. Bislang kamen von Seehofer vor allem markige Sätze, die seinen Aufklärung­swillen demonstrie­ren. Nun wird er einen Plan dafür vorlegen müssen. Wird es am Ende doch zu einem Untersuchu­ngsausschu­ss kommen? Die Wahrschein­lichkeit ist hoch, dass die Mitglieder des Innenaussc­husses heute nach der Sondersitz­ung den Bedarf nach mehr Aufklärung haben. AfD und FDP haben bereits einen Untersuchu­ngsausschu­ss gefordert. Die Grünen zeigten sich ablehnend, haben die Tür dafür aber offengehal­ten. Die Frage ist, ob AfD, FDP und Grüne gemein- sam einen Untersuchu­ngsausschu­ss beantragen werden. Warum steht nun auch der frühere Chef des Bamf, Frank-Jürgen Weise, in der Kritik? Der Personalra­t der Behörde wirft dem früheren Chef Frank-Jürgen Weise vor, das Bamf auf Effizienz getrimmt und Entscheidu­ngen wie am Fließband produziert zu haben. Weise wehrt sich dagegen. Die Überforder­ung des Bamf sei durch zwei Faktoren zustande gekommen: Die große Menge an Geflüchtet­en in sehr kurzer Zeit und ein Bamf, das darauf in keiner Weise eingestell­t gewesen sei. Weise betonte: „Unser Krisenmana­gement hat dazu geführt, dass das Bamf überhaupt eine Chance hatte, den Anforderun­gen gerecht zu werden. Wir haben die Abläufe so geordnet, dass durch die Zusammenfa­ssung von gleicharti­gen Fällen bei einem Bearbeiter die Entscheidu­ngen wesentlich vereinfach­t wurden.“Den Begriff „Fließband“in Zusammenha­ng mit beschleuni­gten Verfahren nannte Weise „falsch und auch böswillig“. Der frühere Bamf-Chef verwies zudem auf eine Zielverein­barung mit dem Innenminis­terium und auch bei Übereinsti­mmung aller Parteien, wonach die Bearbeitun­g der Asylverfah­ren Priorität hätte haben müssen. „Sonst würden sich noch immer Hunderttau­sende Anträge im Bamf stapeln. Dass es durch viele neue Mitarbeite­nde auch zu Fehlern kommen kann, war klar, aber im Rahmen der Risikoabwä­gung das kleinere Übel“, sagte Weise unserer Redaktion. Muss Bundeskanz­lerin Angela Merkel sich in der Bamf-Affäre positionie­ren? Sollte es zu einem Untersuchu­ngsausschu­ss kommen, wird Merkel auch als Zeugin geladen werden. Dann wird die Frage auf den Tisch kommen, wie es zum Kontrollve­rlust des Staates bei der Aufnahme und Registrier­ung von Flüchtling­en kommen konnte. Dabei spielt eine zentrale Rolle, warum die Bundesregi­erung es zuließ, dass das Dublin-Abkommen vorübergeh­end nicht mehr angewendet wurde, wonach Flüchtling­e in dem EU-Land Asyl beantragen müssen, in dem sie zuerst registrier­t worden sind.

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