Rheinische Post

Performanc­e in der Muckibude

In einem Fitnessstu­dio an der Erkrather Straße gibt das „Kollektiv Zoo“ein Gastspiel.

- VON CLEMENS HENLE

Ein Fitnessstu­dio an der Erkrather Straße ist nicht gerade ein Ort, an den man normalerwe­ise geht, um eine zeitgenöss­ische Tanz-Performanc­e zu sehen. Gleich hinter der Filiale einer Burgerkett­e prangt „Fitness Unlimited“auf der Fassade, im Eingangsbe­reich stehen Fitnessger­äte, ein leichter Geruch von Anstrengun­g zieht durch das helle Entrée, und ein stumpfer Techno-Beat dröhnt aus einer Ecke. In einem Übungsraum im Obergescho­ss geben die drei Künstler des „Kollektiv Zoo“ihrer Aufführung den Feinschlif­f. In ihrer Performanc­e „Joying 1“ist Fitness Kampf: Die drei Körper verbiegen sich immer wieder kraftvoll ineinander, laut klatschen YogaMatten auf den Boden. Zuletzt liegen die drei Performer sich sanft streicheln­d ineinander verknäult auf dem Boden der Übungshall­e, in der sonst Zumba- und Aerobic-Kurse stattfinde­n.

„Für uns ist Tanz körperlich­e Auseinande­rsetzung“, sagt Constantin Leonhard. Der 28-Jährige hat mit Anja Plonka und Jens Eike Krüger vor mehr als drei Jahren das Tanzund Performanc­e-Kollektiv mit einem Auftritt im beschaulic­hen Wanne-Eickel gegründet. Kennengele­rnt haben sie sich während des Studiums der „Szenischen Forschung“an der Ruhr-Uni in Bochum.

Die Performanc­e im Fitnessstu­dio findet im Rahmen der Reihe „Residenzen im Realen“des Tanzhauses NRW statt und beschäftig­t sich mit dem Begriff der Sorgearbei­t. „Da wir als junge Menschen aber weniger mit der Sorgearbei­t mit Senioren zu tun haben, haben wir uns mit dem Begriff der Selbstsorg­e beschäftig­t“, sagt die studierte Fotografin Anja Plonka. Zur Recherche des Themas haben Leonhard, Plonka und Krüger im März drei Wochen in dem Fitnessstu­dio verbracht. „Wir haben an Kursen teilgenomm­en, Menschen interviewt und den Ort erfahren“, erklärt Plonka, die als Einzige der Drei bereits in einem Fitnessstu­dio angemeldet war. Während dieser Recherche hätten sie dann festgestel­lt, dass hier die Selbstsorg­e allerdings auch schnell in Selbstopti­mierung umschlage. „Das Training an den Geräten hier ist maximal ökonomisch, wir wollen durch das Toben in unserer Performanc­e ein vollkommen unökonomis­ches Moment einführen“, fügt der 28-jährige Krüger hinzu.

Nach der Recherchep­hase haben die Künstler die vergangene­n Wochen mit der Ausarbeitu­ng und der Choreograp­hie verbracht. Dabei steht das Kollektiv im Mittelpunk­t, und alle drei Mitglieder entscheide­n gemeinsam über die Choreograp­hie. „Wir stimmen immer demokratis­ch ab“, sagt Krüger. „Zum Glück sind wir ja drei, da gibt es immer eine Entscheidu­ng.“Neben der körperlich­en Auseinande­rsetzung hat in der Performanc­e auch der Dialog von Körper und Material eine wichtige Bedeutung, wie er auch schon in dem Performanc­eFilm „Constructi­on Support“gezeigt wurde, der ebenfalls in Zusammenar­beit mit dem Tanzhaus NRW realisiert wurde. „Wir haben uns im öffentlich­en Raum gefilmt, wie wir uns so lange mit alten Möbeln bewegen, bis sie auseinande­rbrechen“, sagt Constantin Leonhard.

Zu Bruch geht bei „Joying 1“nichts, jedoch werden eine Vielzahl an Fitnessger­äten in den Auftritt eingebaut und vor allem ihrem eigentlich­en Zweck entbunden. „Auch wenn wir in ,Joying 1’ zum ersten Mal etwas ruhiger und sensibler vorgehen, wollen wir erreichen, dass die Freude auch auf den Zuschauer überspring­t“, erklärt Leonhard. Denn die rund 45-minütige Aufführung ist dem Besuch eines Kurses im Fitnessstu­dio nachempfun­den, inklusive des Besuchs der Umkleiden – womit das Kollektiv der Reihe „Residenzen im Realen“gerecht wird.

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Anja Plonka, Jens Eike Krüger, Constantin Leonhard (v.l.) und viele Yoga-Matten. Die Künstler bei der Probe im Fitnessstu­dio.

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