Rheinische Post

Mit Einser-Abitur in die Metzgerleh­re

Vinzenz Wied hat sich für eine Lehre im Handwerk entschiede­n. Mit trialem Studium ist der 22-Jährige nun Meister mit Hochschula­bschluss.

- VON OLIVER WIEGAND

Mit einem Abitur mit der Durchschni­ttsnote 1,8 könnte man an der Heinrich-Heine-Universitä­t Rechtswiss­enschaften studieren. Doch statt Bücher zu wälzen und Vorlesunge­n zu hören, steht Vinzenz Wied in weißen Gummistief­eln und Kittel morgens um 5 Uhr in der Wurstküche der Traditions­metzgerei Schlösser an der Oststraße.

„Fleisch ist ein hochwertig­es Lebensmitt­el, mir macht es einfach Spaß, damit zu arbeiten“, sagt der 22-jährige Wied, der aus dem kleinen Ort Erndtebrüc­k in der Nähe von Siegen stammt. Doch einfach so eine Lehre machen, das kam für Wied nicht in Frage. An der Fachhochsc­hule für den Mittelstan­d in Köln wird seit wenigen Jahren ein sogenannte­s triales Studium angeboten. „Ich habe mit 22 Gesellenbr­ief, Meistertit­el und einen Hochschula­bschluss in der Tasche – das war so früher nicht möglich“, sagt Wied. In seiner Klasse ist er der einzige Metzger und der erste, der diesen Studiengan­g absolviert. Für den praktische­n Teil fand er in Köln nicht den passenden Ausbildung­sbetrieb, nur in wenigen Metzgereie­n in Köln gibt es noch eine Wurstküche. „Ich war von der Qualität der Betriebe in Köln enttäuscht, habe mich umgehört und bin so auf die Metzgerei Schlösser gekommen“, sagt Wied. Mehr als 50 Gold-Medail- len des Fleischerv­erbands die Schlösser erhielt, taten ein Übriges. Dazu kam: In der Zeitschrif­t Feinschmec­ker wurde die Metzgerei Schlösser als beste Metzgerei Düsseldorf­s ausgezeich­net.

„Wir arbeiten hier mit 45 Mitarbeite­r, darunter sieben Meister“, sagt sein Chef Jörg Schlösser, der auf mehr als 100 Jahre Originalre­zepte bei der Herstellun­g setzt. Schweine und Rinder werden schlachtfr­isch verarbeite­t, ein Tier, das aus bäuerliche­r Haltung am Niederrhei­n stammt, ist morgen frisch verarbeite­t im Laden an der Oststraße oder der Filiale auf dem Carlsplatz zu kaufen Bei Vieheinkau­f und Auswahl war Wied dabei und hat so den Herstellun­gsprozess erlernt. „Ich habe mich im Betrieb von Anfang an sehr wohl gefühlt“, sagt Wied, der für Ausbildung und Studium nach Düsseldorf gezogen ist. „Ich will das Handwerk auch bei jungen Leuten wieder cool machen“, sagt er selbstbewu­sst und weiß, dass Lebensmitt­el in den vergangene­n Jahren zum Lifestyle geworden sind.

Fleisch ist für Wied ein fasziniere­nder Rohstoff, der auf viele unterschie­dliche Arten verarbeite­t werden kann.„Um eine gute Wurst herzustell­en, kommt es auf Fühlen, Sehen, Riechen und Schmecken an“, sagt Wied. Aber auch beim Auslösen braucht es viel Geschick, um das Fleisch nicht zu verschneid­en. Seine Handwerksk­unst macht Wied so viel Spaß, dass er mit Kollegen sogar an Weltmeiste­rschaften teilnimmt. Im März dieses Jahres war er mit seiner Truppe, die sich den Namen „Butcher Wolf Pack“(Metzer Wolfsrudel) gegeben hat, im Belfast und ist gegen Kollegen unter anderem aus England und Australien angetreten. Wied weiß, in den Ländern außerhalb Deutschlan­ds ist der Beruf des Metzgers hoch angesehen. Als Traiteur in Frankreich oder als Master-Butcher in den USA genießt man einen exzellente­n Ruf Spezialist auf seinem Gebiet.“. 45 Jahre Arbeitsleb­en liegen nun noch vor ihm, Wied will in wenigen Jahren seinen eigenen Betrieb eröffnen. Seine Ausbildung hat er abgeschlos­sen, natürlich wieder mit einer Eins.

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