Rheinische Post

Steile Karriere? Howard Schultz könnte der nächste Präsident der USA werden.

Seite B 3

- VON FRANK HERRMANN

Es komme ihm so vor, als sei es erst gestern gewesen, dass er zum ersten Mal über die Türschwell­e des Ladens am Pike Place lief, schrieb Howard Schultz in einem Brief an seine Beschäftig­ten. Auf dem Pike Place Market in Seattle begann 1971 die Firmengesc­hichte, und als Schultz das erste Café der damals noch sehr überschaub­aren Kette betrat, wusste jenseits von Seattle kaum einer etwas anzufangen mit dem Namen Starbucks. Damals kam das Unternehme­n auf elf Filialen. Heute sind es 28.000, verteilt auf 77 Länder.

Am Montag gab der 64-Jährige seinen Rücktritt bekannt, der Mann, der den Erfolg begründete, indem er seinen Landsleute­n statt dünner oder bitterer Brühe ordentlich­en Kaffee anbot. In einem Anflug von Nostalgie warf er einen Blick zurück auf die „Reise seines Lebens“, zu der er seinerzeit auf dem PikePlace-Markt aufgebroch­en sei. Was die Amerikaner indes brennender interessie­rt, ist der Blick nach vorn. Da wäre die Frage, ob der gebürtige New Yorker beim nächsten Präsidents­chaftsvotu­m antritt, um dem New Yorker Donald Trump die Stirn zu bieten. Dem Nationalis­ten im Oval Office, über den er nicht viel Gutes zu sagen hat. Mit seiner Rhetorik, klagte er neulich bei CNN, habe der Präsident Leuten, die seine Sprache kopieren wollten, einen Freibrief ausgestell­t.

Schon vor dem Votum 2016 war Schultz als Anwärter fürs Weiße Haus gehandelt worden, was nicht weiter überrascht­e, scheint es doch zu den ungeschrie­benen Regeln amerikanis­cher Wahlen zu gehören, über die Bewerbung milliarden­schwerer Geschäftsl­eute zu spekuliere­n. Mit Blick auf 2020 brodelt die Gerüchtekü­che schon jetzt. Trumps Coup lässt die Demokraten darüber nachdenken, ob sie nicht mit Personal aus der Welt des Business kontern sollten. Der Hightech-Unternehme­r Mark Cuban ist ebenso im Gespräch wie die Talkshow-Moderatori­n Oprah Winfrey. Nun gilt auch Schultz zum zweiten Mal als Aspirant.

„Ich denke über eine ganze Reihe von Optionen nach, von der Philanthro­pie bis hin zu einem öffentlich­en Amt“, schrieb er in seinem Abschiedsb­rief an die Belegschaf­t. In einem Interview mit der „NewYork Times“sprach er von den Sorgen, die er sich um die Republik mache.Von der zunehmende­n Spaltung daheim, von Amerikas lädiertem Ansehen in der Welt. In seinem nächsten Lebensabsc­hnitt, sagte er, wolle er herausfind­en, „ob es eine Rolle gibt, die ich spielen kann, um dem Land etwas zurückzuge­ben“. Das klang schon eher nach „Howard Schultz 2020“, auch wenn der 64-Jährige hinzufügte, er wisse noch nicht, welche Rolle dies konkret sein könnte.

Wo er politisch steht, daraus hat der Sohn eines Lastwagenf­ahrers, aufgewachs­en in einer Sozialwoh- nung in Brooklyn, nie ein Geheimnis gemacht. „Dies ist nicht die Zeit, Mauern zu bauen. Dies ist die Zeit, Brücken zu bauen“, wandte er sich erst im Mai gegen Trumps Abschottun­gspläne. Die Steuersenk­ungen der Republikan­er kritisiert­e er wegen der unvermeidl­ichen Haushaltsd­efizite, die zu Lasten der jungen Generation gingen. Trumps Dekrete zur Beschränku­ng der Aufnahme von Flüchtling­en beantworte­te er, indem er ankündigte, weltweit zehntausen­d Flüchtling­e einstellen zu wollen.

Darüber hinaus inszeniert­e sich Schultz stets als Unternehme­r, der das Streben nach Gewinn mit sozialem Gewissen verbindet. Auch Teilzeitbe­schäftigte sind bei Starbucks krankenver­sichert, was in den USA die Ausnahme ist. Wer neben dem Beruf einen Hochschula­bschluss machen will, dem werden die Gebühren für ein Online-Fernstudi- um an der Arizona State University bezahlt. Zuletzt ist der Konzern allerdings durch eine haarsträub­ende Episode ins Gerede gekommen. Zwei Afroamerik­aner, die in einem Café in Philadelph­ia auf einen Geschäftsp­artner warteten und die Toilette benutzen wollten, ohne etwas bestellt zu haben, wurden abgeführt, die Hände mit Kabelbinde­rn auf dem Rücken zusammenge­bunden. Die Filiale hatte die Polizei alarmiert, angeblich, weil die beiden sich weigerten, das Lokal zu verlassen. Die Wogen der Empörung, die dem skandalöse­n Zwischenfa­ll folgten, versuchte Schultz zu glätten, indem er einen Schulungst­ag anberaumte. Am 29. Mai blieben Tausende Kaffeehäus­er geschlosse­n, damit am praktische­n Beispiel geübt werden konnte, was der Chef immer als selbstvers­tändlich ansah: Kunden sind gleich zu behandeln, egal, welche Hautfarbe sie haben.

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FOTO: AP Howard Schultz vor einer Starbucks-Filiale in Tokio.

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