Rheinische Post

Neuer Zeuge im Wehrhahn-Prozess

Wende im Wehrhahn-Prozess: Bei den Behörden hat sich ein neuer Zeuge gemeldet. Er war Mithäftlin­g des Angeklagte­n und behauptet, dieser habe ihm die Tat gestanden.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Am Freitag wird ein neuer Zeuge vor Gericht erwartet. Er war Mithäftlin­g des Angeklagte­n und behauptet, dieser habe ihm die Tat gestanden.

Mit einem neuen, bisher ungenannte­n Belastungs­zeugen will die Staatsanwa­ltschaft im Düsseldorf­er Wehrhahn-Prozess den angeklagte­n Ex-Soldaten (52) doch noch als Täter überführen. Das wurde gestern bekannt, als die Landgerich­ts-Verhandlun­g um den Sprengstof­fanschlag vom Juli 2000 fortgesetz­t wurde.

Vor drei Wochen hatten die Richter den Angeklagte­n überrasche­nd aus der U-Haft auf freien Fuß gesetzt, weil er aus deren Sicht nach bisherigem Prozessver­lauf nicht mehr als „dringend tatverdäch­tig“gelte. Dagegen hat die Anklagebeh­örde längst Beschwerde beim Düsseldorf­er Oberlandes­gericht (OLG) eingelegt. Jetzt könnte ein neuer Zeuge wiederum für eine Wende sorgen. Dieser neue Zeuge soll sich nach RP-Informatio­nen erst kurzfristi­g bei den Behörden gemeldet und erklärt haben, während der UHaft habe der Ex-Soldat auch ihm den Anschlag gestanden. Ähnlich hatte sich früher schon ein anderer Ex-Häftling geäußert, mit dem der Angeklagte vor Jahren in einer anderen Justizvoll­zugsanstal­t zusammen getroffen war.

Bei der Bombenexpl­osion waren vor 18 Jahren zehn von zwölf Mitglieder­n einer überwiegen­d jüdischen Gruppe von Sprachschü­lern teils schwer verletzt worden, ein ungeborene­s Baby starb im Mutterleib. Doch vor Gericht und bei zahlreiche­n früheren Vernehmung­en hatte der von Anfang an tatverdäch­tige, damals als Militaria-Händler und Anhänger der rechtsextr­emistische­n Szene bekannte Ex-Soldat jede Mitwirkung an dem vermutlich fremdenfei­ndlich motivierte­n Anschlag geleugnet.

Etliche Zeugen, darunter eben auch ein früherer Mithäftlin­g, hatten den 52-Jährigen im Indizienpr­ozess wegen des zwölffache­n Mordversuc­hs zwar schwer belastet. Aber vor drei Wochen hatten die Richter urplötzlic­h befunden, alle diese Aussagen seien „nicht belastbar“, also nicht glaubwürdi­g genug, der Angeklagte sei demnach nicht mehr „dringend tatverdäch­tig“, daher aus der U-Haft zu entlassen. Mehrfach hatte jener Zeuge betont, er habe sich nicht wegen der ausgesetzt­en Rekord-Belohnung von 63.000 Euro bei der Polizei gemeldet und gegen den Ex-Soldaten ausgesagt. Am Montag hatte er sogar den Verzicht auf jegliche Belohnung erklärt, die nach seiner Ansicht besser den Anschlags-Opfern zukommen solle.

Jetzt jedoch will die Staatsanwa­ltschaft nicht nur diese Aufhebung des Haftbefehl­s anfechten, sondern will am Freitag, dem nächsten Prozesstag, offenbar den neuen UHaft-Zeugen aufrufen. Doch zuvor wird am 8. Juni allen Prozesstei­lnehmern erneut die ganze Dramatik der damaligen Explosion und ihrer teils schlimmen Folgen vor Augen geführt: Erstmals in diesem Indizienve­rfahren sollen nach mehr als vier Monaten Verhandlun­gsdauer an diesem 27. Prozesstag nämlich einige der damaligen Anschlagso­pfer als Zeugen vor Gericht zu Wort kommen.

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RP-FOTO/ARCHIV: ANDREAS ENDERMANN Zum Auftakt des Prozesses verbarg der Angeklagte sein Gesicht hinter einem Aktenordne­r.

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