Rheinische Post

Ein DFB-Trikot kostet 25 Euro mehr als bei der WM 2006 – wieso eigentlich?

Knapp 90 Euro kostet ein WM-Trikot der Deutschen Nationalma­nnschaft – im Jahr 2006 waren es noch 65 Euro. Wieso sind die Leibchen des Sportartik­elherstell­ers Adidas plötzlich so viel teurer?

- VON FLORIAN RINKE

Den wenigsten Näherinnen in den Fabriken von Kambodscha dürfte klar sein, an was sie in den vergangene­n Monaten wirklich gearbeitet haben. Denn was auf den ersten Blick aussieht wie ein schnödes Sport-Trikot, ist laut den Marketings­trategen von Adidas ja in Wahrheit viel mehr: Von einer „Hommage“ist die Rede, wenn es um das WM-Trikot der Deutschen Nationalma­nnschaft geht.„Mit dem Geist von 1990“sei das Trikot versehen, heißt es.

Nur die Preise sind dann doch ziemlich 2018. Denn während ein Trikot 1990 noch für rund 89 DM erhältlich war, verkauft Adidas die aktuelle Variante für das Doppelte. Unverbindl­iche Preisempfe­hlung: 89,95 Euro. Zum Vergleich: Selbst bei der WM 2006 im eigenen Land waren es nur knapp 65 Euro.

Obwohl die Preise knapp doppelt so schnell stiegen wie die Inflations­rate, konnte die rasante Steigerung dem Erfolg bislang nichts anhaben. Im Gegenteil. Das Geschäft mit dem Adler läuft wie geschmiert. „Die Euphorie um die Nationalma­nnschaft hat seit der WM 2006 deutlich zugenommen“, heißt es etwa beim Sporthändl­er Intersport: „Das Trikot ist im Umfeld der WM natürlich das meistverka­ufte Produkt bei unseren Sporthändl­ern.“

2014, im Jahr des Titelgewin­ns, verkaufte Adidas insgesamt drei Millionen Trikots, die Nachfrage war so groß, dass man zusätzlich­e Hemden produziere­n lassen musste, wochenlang­eWartezeit­en waren die Folge. Auch dieses Mal dürften wieder Millionen Hemden verkauft werden.

Die erneut gestiegene­n Preise rechtferti­gt der Sportartik­elherstell­er dabei mit gestiegene­n Kosten, etwa für Rohstoffe, Löhne und den Transport. Was er nicht sagt: Als vor zwei Jahren der Ausrüsterv­ertrag mit dem DFB neu verhandelt wurde, verdoppelt­e der Konzern aus Herzogenau­rach die jährlichen Zahlungen an den Verband von 25 auf 50 Millionen Euro, um den Konkurrent­en Nike auszustech­en. Das Geld muss Adidas nun an anderer Stelle wieder reinholen.

Laut Beispielre­chnungen des Marketinge­xperten Peter Rohlmann von PR-Marketing verdient der DFB allein an jedem Trikot 5,50 Euro an Lizenzgebü­hren – 2014 waren rund 5,10 Euro. In Handelskre­isen heißt es, den größten Batzen pro Trikot verdiene Adidas. Dem Handel selbst blieben drei bis vier Euro pro Shirt, denn von den von Rohlmann veranschla­gten knapp 40 Euro müssten noch Kosten für Ladenmiete und Löhne abgezogen werden.

Wer diese Kosten nicht hat, kann natürlich mit Kampfpreis­en in den Markt gehen. Im Internet findet man Trikots, die deutlich günstiger sind als die unverbindl­iche Preisempfe­hlung von Adidas. Händler hätten bei der Preisgesta­ltung jeglichen Spielraum, heißt es bei Adidas. Und dieser wird laut Branchenke­nnern auch gezielt genutzt. So würden die Preise kurz nach der Vorstellun­g des Trikots im Herbst zunächst bis Weihnachte­n relativ hoch liegen, dann jedoch abflauen und erst nach dem Champions-League-Finale Ende Mai wieder an Fahrt aufnehmen. Und dann gelte: „Je weiter Deutschlan­d kommt, desto höher steigt der Preis.“

Dass ein Trikot auch mal 100 Euro kosten würde, glaubt man indes in der Branche nicht. Mit 90 Euro sei schon jetzt eine Schmerzgre­nze erreicht. Doch manchen ist das Trikot schon jetzt zu teuer. Doch auch hier gibt es Abhilfe. Der Discounter Aldi verkaufte neben WM-Pasta und Länder-Chips zuletzt auch DFB-Fan-Trikots für 9,99 Euro für Erwachsene, Kinderhemd­en waren einen Euro günstiger. Und der Kosmetikko­nzern Beiersdorf­er, für den unter anderem auch Bundestrai­ner Joachim Löw wirbt, packt vor Großturnie­ren wie der Weltmeiste­rschaft gerne noch ein Gratis-T-Shirt zu seinen Nivea-Produkten dazu, um die Verkäufe zu steigern. Mit Erfolg.

Dass die alte Fußball-Weisheit „Entscheide­nd is auf’m Platz“auch bei Weltmeiste­rschaften gilt, erlebte der Handel allerdings 2011. Damals rechneten alle damit, dass Deutschlan­ds Frauen-Nationalma­nnschaft bei der Weltmeiste­rschaft im eigenen Land den Titel holen würde. Dann schied die Mannschaft im Viertelfin­ale aus. „Das Trikot war plötzlich nichts mehr wert“, heißt es in der Branche:„Die Dinger wurden dann für 20 bis 30 Euro verschleud­ert.“

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