Mein lieber Herr Gesangverein!
Die King’s Singers werden 50 Jahre alt und feiern Geburtstag mit einer ausgedehnten Tournee. Jetzt kommen sie in die Tonhalle.
Der Anruf kam überraschend. Schließlich arbeitete Jonathan Howard seinerzeit in einer Londoner Werbeagentur, hörte A-cappellaMusik vor allem über seine Kopfhörer, sang in seiner Freizeit aus Freude – und hatte bis dahin die King’s Singers noch nie live erlebt. Und nun sollte der Twen auf einmal bei der berühmtesten Boygroup der Klassikwelt vorsingen, da deren damaliger Bass sich nach mehr als zwei Jahrzehnten zurückziehen gliedern im Laufe ihres Bestehens bis heute bewahrt hat: kultiviert, absolut rein und edel in Stil und Intonation, gleichsam perfekt geführt in den fast vibratofreien beiden Countertenören und Baritonen, dem Tenor und dem Bass.
Was auch Brian Kay neidlos einräumt, der die Gruppe Anfang Janu- ar beim offiziellen Jubiläumskonzert am Entstehungsort in der Kapelle des King’s College in Cambridge erlebt hat: Vor 50 Jahren gehörte der Londoner zu den ersten Sechs der King’s Singers, trat bis 1982 in mehr als 2000 Konzerten des Ensembles auf – „doch heute singen dort einige der schönsten Männer- stimmen, die ich je gehört habe, die Balance zwischen ihnen ist superb, und sie genießen das Zusammenspiel ihrer Stimmen ganz offensichtlich“, begeistert sich Howards Vor-Vor-Vorgänger für „unsere Enkelkinder“. Die wiederum voller Enthusiasmus ein weiteres Markenzeichen ihrer „Großväter“pflegen: Jene stets klug und mit einem Augenzwinkern ausgetüftelten Programme, die wie jetzt bei ihrem Konzert in Düsseldorf nicht nur einen Bogen über mehrere Jahrhunderte Musikgeschichte spannen, sondern fast immer in ihren Arrangements auch mit den Pop-Helden des 20. Jahrhunderts wie den Beatles, Freddie Mercury oder den Beach Boys anbandeln. Getragen von einem ebenso einfachen wie allumfassenden Credo: „Wir wollen der Welt zeigen, dass alle Musik auf ein- und dieselbe Bühne gehört, sofern uns die Stücke denn etwas bedeuten“, sagt Tenor Julian Gregory.
Und wem diese Worte aus dem Munde eines 27-Jährigen allzu pathetisch dünken, für den fügt der einstige Chorknabe aus Leicester noch listig hinzu: „Deshalb sind wir auch so dankbar, dass es Sendungen wie DSDS, Pop Idol oder andere Talent-Shows gibt – das hätten wir nie zu hoffen gewagt, dass Singen einmal wieder zur Massenkultur wird.“
Was nun allerdings nicht heißt, dass künftig Dieter Bohlen Einzug die Programme der King’s Singers dominieren wird, denn eines steht für die erzmusikalischen Komödianten stets obenan: „Uns selber nehmen wir schon mal auf den Arm, doch die Musik nehmen wir immer ernst.“