Rheinische Post

Diskussion über Fake News: „Wahrheit braucht Zeit“

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(kib) Wie leicht Fake News in sozialen Medien die Oberhand gewinnen können, hat Katja Rengshause­n am Tag der Amokfahrt von Münster erfahren. Die Social-Media-Beauftragt­e der Münsterane­r Polizei erlebte, dass nur wenige Stunden nach der Tat Bilder des angebliche­n Täters im Netz kursierten. Der sich allerdings später als Experte entpuppte, den das österreich­ische Fernsehen befragt hatte. Auch falsche Filme von vermeintli­chen Festnahmen machten die Runde. Immer wieder habe die Polizei in diesen Stunden davor gewarnt, falsche Nachrichte­n zu verbreiten: „Wahrheit braucht Zeit“. Auf diesen Leitsatz konnte sich die Runde leicht einigen, die Landtags- präsident André Kuper (CDU) gestern Abend zum zweiten Parlaments­gespräch geladen hatte. Es ging in der Landtagsbi­bliothek um das Thema „Zwischen Fake News und Hate-Speech – Verantwort­ung der (sozialen) Medien in der Demokratie“. Auf dem Podium diskutiert­en die Fernsehmod­eratorin Dunja Hayali, der Journalist Ulrich Wickert, der Chefredakt­eur der Rheinische­n Post, Michael Bröcker, sowie Bernd Blöbaum vom Institut für Kommunikat­ionswissen­schaft der Universitä­t Münster. Hayali hob hervor, dass es vielen Nutzern sozialer Medien auch am Tag der Amokfahrt in Münster vor allem um die Herkunft des Täters gegangen sei. Als klar gewesen sei, dass es sich nicht um einen Ausländer handelte, habe das Interesse im Netz spürbar nachgelass­en. In einer solchen Situation sei der Druck in den Redaktione­n extrem. RP-Chefredakt­eur Bröcker betonte, wie wichtig es gerade an einem solchen Großkampft­ag sei, jede Nachricht sorgsam zu prüfen: „Manchmal ist es sinnvoll, nicht der Erste zu sein.“Die handwerkli­chen Regeln des Journalism­us seien im Online- wie im Printberei­ch gleicherma­ßen gültig. Journalist­en müssten zugleich aufpassen, nicht wie Lemminge alle in dieselbe Richtung zu laufen. Ex-Tagestheme­n-Moderator Wickert lobte die deutsche Medienland­schaft als eine der besten der Welt und wurde darin von Kommu- nikationsw­issenschaf­tler Blöbaum bestätigt. Insbesonde­re eine so starke und vielfältig­e Regional- und Lokalpress­e wie in Deutschlan­d gebe es in vielen anderen Ländern nicht mehr. Zugleich lobte Blöbaum die Medien dafür, dass sie sich heute stärker an den Bedürfniss­en des Publikums orientiert­en und etwa auch über den Alltag in normalen Berufen berichtete­n. Aufpassen müssten Journalist­en aber, dass sie wegen zu großer Nähe zu Politikern nicht als Teil des Establishm­ents wahrgenomm­en würden. Auch kämen bestimmte Themenfeld­er mitunter zu kurz, weil Flüchtling­e zurzeit einen sehr breiten Raum einnähmen. Als Beispiel nannte der Professor die soziale Gerechtigk­eit.

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Katja Rengshause­n (Polizei Münster, v.l.), Bernd Blöbaum (Uni Münster), Moderatori­n Anne Gesthuysen, Landtagspr­äsident André Kuper, Journalist­in Dunja Hayali, Autor Ulrich Wickert und RP-Chefredakt­eur Michael Bröcker

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