Rheinische Post

Ein Theater trauert um ein Haus

Der Anbau des Wilherm-Marx-Hauses soll verkauft werden. Das Forum Freies Theater feiert den Abschied.

- VON DOMINIK SCHNEIDER

Im Keller des Wilhelm-Marx-Hauses ist die Wand bis auf Kniehöhe dunkel und wellig. Im Frühjahr ist der Rhein hier eingedrung­en. Christine Rollar vom Forum Freies Theater (FFT) steht an der schmutzige­n Wand und überlegt laut: „Wie hoch darf das Wasser beim nächsten Mal steigen?“Sie zeigt ihre Kopfhöhe an der Wand. „Wenn es mehr wird, muss ich gerettet werden.“

Solidaritä­t, Zusammenar­beit, gegenseiti­ge Hilfe – das sind wichtige Themen im FFT. „Und dafür ist kein Gebäude besser geeignet als dieser Anbau des Wilhelm-Marx-Hauses“, sagt Rollar. Denn hier arbeiten verschiede­ne Institutio­nen neben- und miteinande­r: Das Jugendamt hat hier seine Räume, die städtische Fremdsprac­henbibliot­hek, das Gleichstel­lungsbüro und eben das FFT. Zumindest noch, denn die Stadt hat entschiede­n, das Gebäude zu verkaufen. Zu gut sei die Lage am Rande der Altstadt, um das Gebäude nicht kommerziel­l zu nutzen. Und daher sucht die Stadt nun einen potenziell­en Käufer für das Gebäude. Das bedeutet für die dort untergebra­chten Institutio­nen: Sie müssen ausziehen.

„Früher war dieses Gebäude für alle Düsseldorf­er da, jetzt wird es nur noch einem gehörten“, sagt die Schauspiel­erin. Daher hat sie gemeinsam mit anderen Künstlern ein letztes großes Projekt in die Wege geleitet: Am Samstag, den 16. Juni, beginnt die Aktion: „Wenn die Häuser Trauer tragen“. Unter dem Motto „Say goodbye – with a smile“haben die Künstler einen Abschiedsw­eg durch das Haus vorbereite­t, den die Besucher zu zweit gehen können. Sie sollen sich dabei zum einen mit dem Thema Abschied und Trauer befassen, aber auch versteckte Ecken des Wilhelm-MarxHauses kennenlern­en.

Der Abschiedsw­eg beginnt mit einem persönlich­en Beratungsg­espräch mit Christine Rollar und führt dann durch das ganze Haus. Er besteht aus neun Stationen, von denen fünf von verschiede­nen Künstlern besetzt sind. So präsentier­t das Künstlerdu­o Quast und Knoblich im Rahmen einer Wahlwerbun­g Nostalgie und Aufbruchss­timmung, die mit dem Umzug einhergehe­n, und die Wienerin Barbara Ungepflegt lädt als Lady Diana das Volk ein, seine Trauer und Hoffnung mit ihr zu teilen. Außerdem wird es vier Stationen geben, an denen die Besucher des Haus auf eigene Faust erkunden können.

Für Wilma Renfordt, Dramaturgi­n des Projekts, ist es besonders wichtig, dass „die Besucher sowohl den Abschied des Hauses feiern, als auch die Abschiede in ihrem eigenen Leben reflektier­en können“.

Neben dem Abschiedsp­fad, den die Besucher zu zweit begehen, gibt es auch Führungen durch das Haus, die von den Künstlern organisier­t und begleitet werden, und die sich jeweils einem speziellen Aspekt des Hauses widmen. Der Abschluss des Projekts „Wenn die Häuser Trauer tragen“wird ein Trauerfest sein. Am Sonntag, den 24. Juni laden Christine Rollar und ihr Künstler-Team die Gäste zu einem gemeinsame­n Essen ein. Begleitet wird der symbolisch­e Leichensch­maus für das WilhelmMar­x-Haus von einem Bühnenprog­ramm der Künstler, die mit Trauerrede­n und Auftritten ein letztes Mal an die Werte erinnern, die in diesem Haus gelebt wurden.

Das FFT zieht spätestens 2021 in die neue Zentralbib­liothek am Konrad-Adenauer-Platz. Christine Rollar trauert dem Marx-Haus nach: „Es gab hier so viele einzigarti­ge Begegnunge­n. Wer weiß, ob es besser wird? Es wird auf jeden Fall anders.“

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Hier wird nicht mehr gespielt: Christine Roller und das FFT verabschie­den sich von ihren Räumen im Wilhelm-Marx-Haus.

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