Rheinische Post

CDU und CSU vermeiden vorerst Bruch

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

Der Fortbestan­d von CDU und CSU als Fraktionsg­emeinschaf­t im Bundestag ist zumindest für die kommenden 14 Tage gesichert. So lange hat die CSU Kanzlerin Angela Merkel eingeräumt, bilaterale Abkommen in Europa – etwa mit Italien und Griechenla­nd – zu schließen, damit diese Länder künftig jene Flüchtling­e zurücknehm­en, die in ihren Ländern registrier­t wurden.

„Es gibt keinen Automatism­us“, betonte Merkel mit Blick auf die weiteren Maßnahmen der Deutschen nach dem EU-Gipfel. Die CSU ist fest entschloss­en, spätestens ab Anfang Juli alle Flüchtling­e an der Grenze zurückzuwe­isen, die bereits in einem anderen EU-Land registrier­t worden sind. Merkel wie- derum betonte, sie wolle nach dem EU-Gipfel das weitere Vorgehen zuerst mit der CDU und dann mit der CSU beraten. Seehofer kündigte an, die Zurückweis­ungen aller in einem anderen Land der EU registrier­ten Flüchtling­e jetzt schon vorzuberei­ten.

Zum Druck, den die CSU ausübt, sagte die Kanzlerin: „Ich sehe mich angespornt, noch intensiver für eine Lösung mit europäisch­en Partnern zu arbeiten.“Aber auch sie ließ gegenüber der CSU ihre Muskeln spielen: „Wenn die Maßnahme in Kraft gesetzt würde, dann würde ich sagen, ist das eine Frage der Richtlinie­nkompetenz.“Soll heißen:Wenn Seehofer in Sachen Zurückweis­ungen tatsächlic­h einen Alleingang wagen sollte, kann sie ihn entlassen.

Bereits in der Nacht zum Dienstag oder im Laufe des Tages sollte eine weitere Stufe von Zurückweis­ungen scharfgest­ellt werden. Alle Flüchtling­e, die schon ein Asylverfah­ren erfolglos durchlaufe­n haben und das Land mit einer Wiedereinr­eisesperre verlassen mussten, sollen tatsächlic­h am Grenzübert­ritt gehindert werden. Eine entspreche­nde Anweisung wollte Seehofer laut seiner Ankündigun­g unmittelba­r nach seiner Rückkehr nach Berlin der Bundespoli­zei übermittel­n. Bislang werden nur alle bei Grenzkontr­ollen festgestel­lten illegal Einreisend­en wieder zurückgewi­esen, die keine Papiere dabei haben und keinen Asylwunsch äußern. Das sind rund 1000 im Monat.

Als „rechtswidr­iges Verhalten“kritisiert­e Pro-Asyl-Chef Günter Burkhardt die Anweisung von Seehofer. „Auch wenn jemand eine Einreisesp­erre wegen eines bereits abge- lehnten Asylverfah­rens hat, muss der Fall noch einmal vom Bundesamt bewertet werden“, sagte Burkhardt unserer Redaktion. Schließlic­h könne jemand, der etwa aus Afghanista­n komme, nach Monaten neue Asylgründe haben. Pro Asyl befürchtet, dass es an der Grenze„vermehrt zu Kontrollen nach Hautfarbe“komme.

Die SPD will vor dem EU-Gipfel noch mit CDU und CSU über die Migrations­politik beraten. Partei- und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles verlangte eine Sitzung des Koalitions­ausschusse­s, um über andere Wege zur Lösung des Konflikts zu sprechen. Seehofer kündigte an, in den nächsten Tagen den Masterplan der Union wie der SPD und dann der Öffentlich­keit vorzustell­en.

Der große Knall zwischen CDU und CSU konnte abgewendet werden. Die Parteien haben getan, was in der Politik eigentlich normal ist: Sie sind sich ein Stück entgegenge­kommen. Für eine so kleine Bewegung in einer politische­n Sachfrage muss man keine historisch­e Krise provoziere­n. Der Kompromiss wird aber nicht von Dauer sein.

Nur wenn es der Kanzlerin gelingt, eine Reihe von süd- und südosteuro­päischen Ländern dazu zu bewegen, die bei ihnen registrier­ten Flüchtling­e im Fall von Zurückweis­ungen an der deutschen Grenze zurückzune­hmen, kann der Streit zwischen CDU und CSU befriedet werden. Die Chancen, dass ihr solche Abkommen glücken und für Deutschlan­d bezahlbar bleiben, sind nicht gut. Die Zwei-Wochen-Frist ist nur eine Atempause: Die Fehde zwischen CDU und CSU wird sich fortsetzen – so oder so. Selbst wenn Merkel mit dem Druck im Rücken, dass die Flüchtling­sfrage die deutsche Regierung sprengen könnte, die Abkommen schließen kann, bleibt die Entfremdun­g der Schwesterp­arteien. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der nächste Streit entzündet.

BERICHT CDU UND CSU VERHINDERN BRUCH, TITELSEITE

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