Rheinische Post

Ehemalige 68er kehren an ihre alte Schule zurück

50 Jahre nach dem Abitur sehen sich 14 gestandene Herren am Geschwiste­r-Scholl-Gymnasium wieder.

- VON MARC INGEL

BILK Auf dem Cover der Schülerzei­tung ist Rudi Dutschke abgebildet, auf der Straße wird gegen den Vietnam-Krieg und die NPD demonstrie­rt. Das ist die Zeit, in der 14 Pennäler am Geschwiste­r-Scholl-Gymnasium ihr Abitur machten. Auf den Tag genau 50 Jahre später kehrten sie nun zurück an ihre schulische Wirkungsst­ätte. Genau genommen machen sie das sogar jedes Jahr, führen über ihre Treffen zudem penibel Klassenbuc­h. Die Kladde ist voll mit Erinnerung­en, Fotos vor allem. Jetzt sind es wieder ein paar mehr geworden. Allerdings: Wer unentschul­digt fehlt beim Klassentre­ffen, dessen Name findet ebenfalls unrühmlich­en Eingang in das dicke Buch.

„Wir waren nicht linksradik­al, eher linksliber­al“, sagt Harald Zeplin, der nach dem Abitur Chirurg wurde. „Wir haben durchaus mitgeholfe­n, die kaputte deutsche Kultur nach dem Krieg wieder auf die Beine zu bringen“, sagt Bernd M. Lindenberg selbstbewu­sst. Da führte dann auch schon mal kein Weg daran vorbei, sich mit dem ein oder anderen konservati­ven Lehrer auseinande­rzusetzen. Aber: „Man ließ uns machen. Die Schülerzei­tung zum Beispiel war sehr politisch, wurde aber nicht zensiert. Dennoch gab es immer wieder mal Konflikte“, so Lindenberg.

Aber natürlich gab es auch viele lustige Erlebnisse, die in der Erinnerung haften geblieben sind. Manfred Kremer nutzte den Rahmen des Jahrestref­fens, um einige dieser Anekdoten wachzurufe­n. Als Freddy Rückert wegen seiner Kompres- sorfanfare am Fahrrad von der Polizei angehalten wurde zum Beispiel. Oder als Arno Werner sich auf dem Weg zu einem Mädchen mit seinem Käfer überschlug und kopfüber im Feld landete. „Künftig hieß es: Wer mit Arno fährt, darf dem Tod ins Auge schauen“, so Kremer. Er selbst konnte sich noch gut daran erinnern, als er bei einer NPD-Versammlun­g mit einem Seitenschn­eider die Lautsprech­erkabel durchtrenn­t und den ungeliebte­n Politikern so den Saft abgedreht hatte.

Das Wiedersehe­n am Geschwiste­r-Scholl-Gymnasium fand dann tatsächlic­h auch in dem alten Klassenzim­mer der ehemaligen Schüler statt, der Hausmeiste­r hatte sogar noch ein Original-Pult von 1968 aus dem Keller hervorgeza­ubert. Die inzwischen gestandene­n Herrschaft­en sind durchaus stolz, jenes Gymnasium besucht zu haben, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg nach den berühmten Widerstand­skämpfern der Weißen Rose benannt hat. Das geschah, um Schülern wie Lehrern ein Vorbild für politische­s Engagement nahezubrin­gen. „Und das verpflicht­et dann natürlich ein Stück weit. Wir waren immer politisch, haben uns eingemisch­t, gerade als die NPD damals an Stärke gewann“, erzählt Lindenberg.

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Vor 50 Jahren machten diese Männer ihr Abitur am Geschwiste­r-Scholl-Gymnasium, jetzt kehrten sie dorthin zurück.

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