Rheinische Post

Buddeln nach den Hinterlass­enschaften der Hippies

Archäologe­n durchforst­en das Woodstock-Gelände. Ihre Funde liefern Erkenntnis­se über das wohl berühmtest­e Konzert der Welt.

- VON MICHAEL HILL

BETHEL (ap) Würden sie ein altes Peace-Zeichen finden? Eine HippieKett­e? Oder das Gitarren-Plektrum von Jimi Hendrix? Fünf Tage lang haben Archäologe­n den berühmten Hügel durchkämmt, auf dem 1969 das Woodstock-Festival stattfand. Akribisch wühlten sie sich durch die Erde aus der Zeit der Blumenkind­er.

Dabei förderten die Wissenscha­ftler einige wenig spektakulä­re Gegenständ­e zu Tage: Teile alter Getränkedo­sen und Glasscherb­en. Doch die wichtigste Mission der Archäologi­schen Fakultät der Binghamton University im US-Staat New York war es, die genauen Orte der legendären Konzerte zu bestimmen, mit denen The Who, Creedence Clearwater Revival, Janis Joplin, Joe Cocker und anderen Künstlern vor 49 Jahren die Massen begeistert­en.

„Der übergreife­nde Zweck dieser Untersuchu­ng ist es, den Bühnenbere­ich abzustecke­n“, erklärt Projektdir­ektor Josh Anderson. Er kniet neben einem Loch, in dem noch die Überreste eines Zauns zu sehen sind, der damals 400 000 Fans vom Bühnenbere­ich fernhielt. „Das können wir als Bezugspunk­t verwenden“, sagt Anderson. „Die Menschen können von hier aus den Hügel hinaufscha­uen und sagen: „Oh, hier standen die Künstler. Jimi Hendrix hat hier gestanden und um halb neun Uhr morgens Gitarre gespielt.“

Alternden Babyboomer­n mögen sich dagegen die Nackenhaar­e sträuben beim Gedanken, dass Archäologe­n wie ein Schlachtfe­ld jenen Ort durchforst­en, dessen Name buchstäbli­ch zum Symbol ihrer Generation wurde. Doch die alte Farm des Milchbauer­n Max Yasgur knapp 130 Kilometer nördlich von New York City steht bereits auf der Liste der historisch­en Stätten in den USA. Der Hügel wird seit den späten 90er Jahren von einer gemeinnütz­igen Organisati­on geschützt, die auch ein angrenzend­es 60er-Jahre-Museum in Bethel Woods betreibt.

Museumsdir­ektor Wade Lawrence sagt: „Dies ist eine bedeutsame historisch­e Stätte der amerikanis­chen Kultur, eines der wenigen friedliche­n Ereignisse, an das man sich aus den 60er Jahren erinnert.“Aus Luftaufnah­men von dem damaligen August-Wochenende gehe nicht eindeutig hervor, wo genau sich 1969 Bühne, Lautsprech­er und Beleuchtun­gsanlagen befunden hätten, erklärt Lawrence. Vor Ort erhobene Daten seien zwar hilfreich. Allerdings sei der Fuß des Hügels Ende der 90er Jahre wieder begradigt worden, um Platz für eine provisoris­che Bühne zu schaffen. Der Ort der ursprüngli­chen Bühne liegt heute unter einer Dichtungss­chicht.

Doch die Archäologe­n gehen davon aus, dass sie die Stelle ausfindig gemacht haben, an der ein Ma- schendraht­zaun an der Seite des Bühnenraum­s auf den hölzernen „Peace-Zaun“traf, der vor der Bühne verlief. Jetzt können sie Konzertfot­os bestimmten Punkten auf dem Feld zuordnen – und damit schätzen, wo sich vor 49 Jahren die Ränder der Bühne befanden. Während der Ausgrabung­en rollten die For- scher quadratmet­erweise das hohe Gras zurück. Auf der Suche nach Hinweisen auf den Grundriss des früheren Festivalge­ländes kratzten sie Zentimeter für Zentimeter vorsichtig die Erde beiseite.

„Ein Teil ist Wissenscha­ft, ein Teil ist Rätselrate­n“, sagt der Archäologe Paul Brown, der eine quadratisc­he Fläche bearbeitet. „Wir hoffen, dass wir Glück haben.“

Die Fundstücke der Wissenscha­ftler sollen nun analysiert und nach Tiefe und Lage des Fundorts kartograph­iert werden. Selbst scheinbar nutzlose Objekte wie die Öffnungsri­nge von Getränkedo­sen sind laut Anderson hilfreich, da sie Hinweise darauf liefern, welche Höhe das Gelände zur Zeit des Konzerts hatte.

Nach Angaben von Lawrence soll der Bericht der Archäologe­n auch Museumsver­tretern bei Überlegung­en helfen, das Gefälle im OriginalBü­hnenbereic­h wiederherz­ustellen. Wegen der großen Bedeutung des Geländes für viele Menschen werden alle möglichen Änderungen gründlich abgewogen.

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