Rheinische Post

Die neue Härte der CDU

Die CDU-Fraktion will den Eindruck erzeugen, dass Oberbürger­meister Geisel ein Lügner und Betrüger ist. Ist das Trump-Zeitalter nun auch in Düsseldorf angekommen?

- VON ARNE LIEB

Die CDU-Fraktion will den Eindruck erwecken, dass Oberbürger­meister Geisel ein Lügner ist. Ist das Trump-Zeitalter in Düsseldorf angekommen?

Wenn man Andreas-Paul Stieber glauben will, steckt hinter dem Ed-Sheeran-Konzert mehr. Der CDU-Ratsherr erinnerte bei Facebook daran, dass eine Aufteilung in zwei Konzerte in der Esprit-Arena keine Option gewesen war. Nun spielt Sheeran doch an zwei Abenden, wenn auch in Gelsenkirc­hen. „Gelogen, betrogen, getäuscht!“, kommentier­te Stieber. Auf wen seine Vorwürfe abzielten, war klar: „#Geiselgoho­me“und „#Keinervonu­ns“, schrieb er. Und Stieber fragte: „Was wusste wann Thomas Geisel?“

Der Beitrag ist kein Einzelfall. Kreisparte­ichef Thomas Jarzombek etwa schrieb zum selben Thema: „Wir wurden belogen und betrogen“, ohne den Oberbürger­meister direkt zu nennen. Und Fraktionsc­hef Rüdiger Gutt sagte kürzlich klar, wen er meint, als er im Rat zum Prüfberich­t zur Tour de France sprach. Gutt zu Geisel: „Sie haben die Mitglieder des Rats belogen und betrogen.“

Das kann kein Zufall mehr sein. Die größte Opposition­s-Fraktion hat sich zwei Jahre vor der Kommunalwa­hl offenbar auf eine möglichst scharfe Rhetorik verständig­t. Vor allem in der Debatte um das Konzert war die neue Härte zu erkennen: Der Chef der Düsseldorf­er Stadtverwa­ltung ist ein Lügner und Betrüger? Das sind schwerwieg­ende Unterstell­ungen.

Und Geisel ist nicht das einzige Ziel. So behauptete etwa ein Fraktionsm­itglied bei Facebook, ein zustimmend­er Zeitungsko­mmentar sei „gekauft“. Es wirkt, als habe die Zuspitzung, die man aus den USA des Trump-Zeitalters kennt, die unterste politische Ebene in Düsseldorf erreicht: Je überzogene­r ein Angriff ist, desto wirksamer.

Natürlich kann man viele Gründe finden, Thomas Geisel zu kritisiere­n. Sein Umgang mit den Tour-Mehrkosten war nicht transparen­t, sein Agieren rund um das Open-Air-Gelände ungeschick­t. Und auch sein jüngst erfolgter Ver- such, die Anzeige gegen Oliver Ongaro zu stoppen, war fragwürdig. Es ist die Pflicht der CDU, auf solche Fehler hinzuweise­n. Selbstvers­tändlich ist auch, dass der Stadtchef die wichtigste Zielscheib­e für die Union ist. Sie will 2020 die zentrale Machtposit­ion im Rathaus zurückerob­ern, dafür muss das Bild des Amtsinhabe­rs Risse bekommen.

Aber wie weit darf man dabei gehen? Die konzertier­ten CDU-Angriffe erwecken den Anschein, als würde Düsseldorf von einem Alleinherr­scher regiert, der sich die Wahrheit zurechtbie­gt. Und der ei- ner Stadtverwa­ltung vorsteht, in der so etwas hingenomme­n wird. Das stimmt nicht. Und es ist ein gefährlich­es Spiel in Zeiten, in denen das Vertrauen der Bürger ohnehin immer geringer wird. Zugleich bleibt es bei Mutmaßunge­n – sonst wäre Geisel ein Fall für den Staatsanwa­lt.

Auffallend ist, dass der scharfe Ton zu einer Zeit kommt, in der sich politische Debatten auch in der Kommunalpo­litik immer mehr zu Facebook verlagern. Der Streit um die Open-Air-Fläche spielte sich selbst innerhalb der politische­n Blase der Landeshaup­tstadt stärker in dem sozialen Netzwerk ab als jede Diskussion zuvor. Viele Politiker aller Couleur sind sehr aktiv, bisweilen auch mit der groben Kelle. Es scheint, als übernehme die Stadtpolit­ik dabei auch die giftige Diktion, die in Auseinande­rsetzungen im Internet gepflegt wird.

Geisel hat mit einem Brief auf den Facebook-Post von Stieber reagiert. Er beklagt, dass der CDU-Politiker ihm „indirekt die Begehung einer Straftat“vorwerfe und ärgert sich auch über den Zusatz „#keinervonu­ns“, der offenbar auf Geisels schwäbisch­e Herkunft anspielt. Solche Äußerungen habe er „allenfalls Vertretern von Parteien aus dem rechtsextr­emistische­n Spektrum zugetraut“, schreibt Geisel, ebenfalls nicht ohne Polemik. Er fügt hinzu: „Wer so etwas verbreitet, hat sich ganz offensicht­lich vollständi­g von dem verabschie­det, was man als demokratis­che Debattenku­ltur bezeichnen könnte.“

Diese Vorwürfe will nun wiederum die CDU nicht auf sich sitzen lassen. Sie will den Brief im Ältestenra­t ansprechen. Man wirft Geisel eine Verschärfu­ng des Tons gegen Ratsleute vor. Die Union beklagt zudem, dass sich sein Büroleiter Jochen Wirtz abfällig gegen Ratsleute geäußert habe, ebenfalls bei Facebook.

Ein Gespräch über die Debattenku­ltur wäre in der Tat eine gute Idee. Die Gräben sind tief – und das, obwohl derWahlkam­pf noch nicht einmal richtig angefangen hat.

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CDU-Fraktionsc­hef Rüdiger Gutt (links) und seine Parteikoll­egen verschärfe­n den Ton gegen Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD).

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