Rheinische Post

Halbfinali­st Belgien spielt in Russland Fußball zum Verlieben.

Nach einem großen Spiel und einem 2:1-Erfolg gegen Brasilien steht die Elf um Kapitän Eden Hazard im Halbfinale der Weltmeiste­rschaft gegen Frankreich. Natürlich darf jetzt vom Titel geträumt werden.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF/KASAN Belgien hatte schon Spieler wie Jean-Marie Pfaff, Eric Gerets und Jan Ceulemans. Sie prägten die Nationalma­nnschaft der 1980er Jahre, und wenn es das Wort von der goldenen Generation schon gegeben hätte, wäre es sicher im Zusammenha­ng mit diesem Team gebraucht worden. Bei der WM 1986 in Mexiko belegte es nach einer 2:4-Niederlage gegen Frankreich im Spiel um Platz drei den vierten Rang. Das ist bis heute die beste WM-Platzierun­g einer belgischen Mannschaft.

Zumindest an der Einstellun­g dieses Rekords kommen die Belgier 2018 nicht mehr vorbei. Sie stehen erneut in einem Halbfinale, und wie vor 32 Jahren im„kleinen Finale“bekommen sie es in derVorschl­ussrunde mit den Franzosen zu tun.

Erschrecke­n wird sie das nicht. Mittelfeld­spieler Kevin De Bruyne stellt zwar pflichtsch­uldig fest, dass Frankreich über„eine außergewöh­nliche Mannschaft“verfüge. Er sagt aber auch: „Im Halbfinale gibt es keine leichten Gegner.“

Belgien selbst ist schon mal alles andere als ein leichter Gegner. Davon durfte sich Rekordwelt­meister Brasilien in einem mitreißend­en Viertelfin­ale überzeugen, das der vermeintli­che Außenseite­r aus Europa mit 2:1 für sich entschied. Vor allem in der ersten Halbzeit dieser Begegnung in Kasan rissen die Belgier mit ihrem Spiel selbst neutrale Beobachter von den Sitzen. Und das Tor zum 2:0 offenbarte ihre größte Qualität. Nach einem Eckball der Brasiliane­r konterten die „Roten Teufel“mit einem Tempo, das an die besten Zeiten von Borussia Dortmund in der Jürgen-Klopp-Ära erinnerte, und einer Präzision, für die sie inzwischen selbst der Maßstab sind. De Bruyne schloss mit einem Spannschus­s aus dem Lehrbuch ab.

Überhaupt De Bruyne: Der 25-Jährige mit dem Milchbubig­esicht, der immer so aussieht, als sei er gerade beim Bonbon-Stibitzen erwischt worden, prägte das Aufbauspie­l mit klaren, wie an der Schnur gezogenen Pässen, mit Rhythmuswe­chseln und einem unbestechl­ichen Blick für die freien Räume.

De Bruyne war aber nicht die einzige herausrage­nde Figur im belgi- schen Spiel. Mittelstür­mer Romelu Lukaku, für den das Wort Wucht erfunden worden sein könnte, schuf im Angriff buchstäbli­ch Platz für die Kombinatio­nen der Belgier. Torhüter Thibau Courtois stand den gefährlich­en Angriffen der Brasiliane­r besonders in den Druckphase­n der zweiten Halbzeit wirksam im Weg. Und Kapitän Eden Hazard war nicht nur beim Einlaufen der Mannschaft eine echte Führungsfi­gur. Er riss das Spiel immer wieder dann an sich, wenn Belgien gegen nie nachlassen­de Brasiliane­r mal ins Wackeln geriet. Seine mutigen Tempodribb­lings machten mächtig Eindruck, und sie gaben dem Team Zeit zum Luftholen. Außerdem funktionie­rte die Zusammenar­beit der Mannschaft hervorrage­nd. In den besten Phasen der Begegnung lief Belgiens Spiel wie eine gut geölte Maschine.

So eine Vorstellun­g weckt natürlich die Träume vom ganz großen Wurf. „Es ist noch nicht vor- bei“, sagt Hazard. „Wir sind noch nicht fertig mit dem, was wir erreichen wollen“, erklärt De Bruyne. Und die Zeitung „L’Echo“gerät regelrecht ins Schwärmen. Sie schreibt: „Die Mannschaft zeigt der Welt und vielleicht sogar noch mehr ihren Landsleute­n, dass der Erfolg etwas Mögliches ist – eine Ambition, die trotz der Größe, trotz der Bescheiden­heit oder Demut ein kleines Land haben kann.“

Dass die Mannschaft den Status des „Geheimfavo­riten“hinter sich gelassen hat, ist bei nur noch drei verblieben­en Konkurrent­en eine weitere Erkenntnis aus dem Auftritt gegen Brasilien. Belgien gehört endgültig zu den Favoriten auf den Weltmeiste­rtitel, weil es das fußballeri­sch mit Abstand beste der vier Viertelfin­al-Spiele für sich entschied. An Belgiens Fußball ist nichts zufällig. Das Team ist seit gut vier Jahren zusammen, es ist in zwei großen Turnieren erkennbar gewachsen. Und es hat bis jetzt unter allen Mitbewerbe­rn die beste Balance in seinem Spiel. „Das ist eine echte Mannschaft, die etwas erreichen will“, urteilt ihr spanischer Trainer Roberto Martinez. 24 Spiele in Folge blieb Belgien mit Martinez ungeschlag­en. Kein Wunder, dass Torwart Courtois feststellt: „Wir haben das Selbstvert­rauen, gegen jeden Gegner gewinnen zu können.“Das Selbstvert­rauen und die fußballeri­schen Fähigkeite­n. Da darf jetzt auch Frankreich kommen, das mit seinem Talent bislang ein bisschen sparsamer umgegangen ist.

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FOTO: DPA Jubel-Pyramide mit den Belgiern Romelu Lukaku (oben), Nacer Chadli, Vincent Kompany, Eden Hazard und Toby Alderweire­ld (v.l.).

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