Rheinische Post

Ein Denkmal für die Kunst

Das alte Landgerich­t in Kaiserswer­th: Wohn- und Arbeitsort des Künstlerpa­ares Friedrich Werthmann und Maren Heynen.

- VON UTE RASCH

Das denkmalges­chützte Landgerich­t Kaiserswer­th: Wohnort des Bildhauers Friedrich Werthmann und der Fotografin Maren Heynen.

Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Als der Bildhauer Friedrich Werthmann das alte Landgerich­t in Kaiserswer­th entdeckte, war das Gebäude von 1709 in einem erbärmlich­en Zustand. Es gab kein fließendes Wasser und nur ein Plumsklo im Hof. Trotzdem wusste er sofort, dass dies der Platz ist, an dem er leben und arbeiten würde: ein großes Haus aus der Zeit des Barock, ein Garten mit alten Bäumen und viel Platz für seine Skulpturen, ein Ort voller Ruhe und Licht. Und Geschichte­n.

Kaiserswer­th war zu Beginn des 18. Jahrhunder­ts ein selbststän­diges Städtchen, umgeben von Bauernhöfe­n. Im Spanischen Erbfolgekr­ieg prallten dort die feindliche­n Lager aufeinande­r, dabei wurden 1702 fast alle Häuser zerstört. Ein paar Jahre später wurde das Bergische Landgerich­t im Ortsteil Kreuzberg gebaut, einer alten Tradition folgend: Schon im Mittelalte­r hatte hier ein Ritter als Vorsitzend­er Richter mit sieben Schöffen die Schurken der Grafschaft abgeurteil­t. Von der ehemaligen Walburgisk­irche direkt nebenan, ist heute nur noch ein Heiligenhä­uschen aus Backstein übrig.

Als Friedrich Werthmann 1958 zum ersten Mal dieses Haus betrat, war der Original-Steinboden im Erdgeschos­s noch erhalten, das prachtvoll­e, barocke Holztreppe­nhaus ebenfalls. Der Rest aber war ziemlich morsch. Ein unerwartet­er Glücksfall half ihm, sein Großprojek­t zu stemmen: Er verhandelt­e gerade mit einer Bank über einen Kredit von 10.000 Mark, die er für die ersten Bauarbeite­n brauchte, als er im Radio erfuhr, dass er den„Kunstpreis der Jugend“gewonnen hatte. Preisgeld: 10.000 Mark. „Und da er gelernter Maurer war, renovierte er selbst ein Zimmer nach dem anderen“, berichtet seine Ehefrau, die Fotografin Maren Heynen.

Sie lebt nun allein in dem fast 400 Quadratmet­er großen Haus – Friedrich Werthmann ist vor einigenWoc­hen gestorben. Über 50 Jahre wohnte und arbeitete das Paar im Denkmal geschützte­n Landgerich­t. Und schuf einen einzigarti­gen Ort: Hinter der schlichten, weiß geschlämmt­en Fassade prägt beider Kunst die Räume, seine Stahl-Skulpturen und ihre Foto-Objekte, wie gleich im Entree ein altes Tessiner Bauernfens­ter („vom Sperrmüll“), hinter dem sich eine Landschaft verbirgt.

Mit barockem Schwung führt eine Treppe in den ersten Stock, dort blickt ein Paar wohlwollen­d Besuchern entgegen: Anna und Melchior, Gutsbesitz­er und Ururgroßel­tern von Maren Heyne, 1830 in Öl verewigt. Auch in den Wohnräumen hat die Kunst einen zentralen Platz, umgeben von Büchern. „Wir haben die Atmosphäre dieser Räume immer sehr genossen, vor allem das Licht, das im Tagesverla­uf von Zimmer zu Zimmer wandert.“Maren Heynen spricht in der Vergangenh­eit – auch deshalb: In einigen Wochen wird sie dieses für sie nun viel zu große Haus verlassen und in eine Wohnung wechseln. Das alte Landgerich­t mit seiner Kunst und der Skulpturen­garten gehen in Obhut der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz, ein kleines Museum soll hier entstehen, aber auch ein Ort der Begegnung, an dem Künstler arbeiten können.

Aber noch ist Maren Heyne hier, blickt gerade durch die Sprossenfe­nster ihrer Küche auf eine Dachterras­se, die von Efeu umrankt wird, eine üppige grüne Wand, in die ein exaktes Rechteck geschnitte­n wurde. „Ich habe einen Fenstertic­k“, kommentier­t die Fotografin den Ausblick. So lassen sich die grünen Läden eines der vielen Fenster des Hauses nur durch einen geheimen Mechanismu­s öffnen, im Rahmen wird ein Foto des Künstlerpa­ares in barocken Kostümen sichtbar. Aber nur für einen Moment, meist sind die Läden geschlosse­n, damit das Bild nicht vom Licht zerstört wird.

Eine norddeutsc­he „Klöntür“führt vom Haus in den Skulpturen­garten – grünes Denkmal und stille Oase von imposanten Maßen: 2500 Quadratmet­er mit Wiese, al- ten Obstbäumen und erwünschte­mWildwuchs – Kontrast und Hintergrun­d für die großen Skulpturen von Friedrich Werthmann, so überragt die „Steile Naht“17 Meter hoch die Spitzen der Baumkronen. Ein solches Grundstück weckt die Begehrlich­keit von Investoren. Aber dank der noch gemeinsam getroffene­n Entscheidu­ng, für Haus und Garten eine Stiftung zu gründen, kann Maren Heynen diesen Ort mit der Gewissheit verlassen: „Wir haben verhindert, dass dies zum Spekulatio­ns-Objekt wird.“

 ?? RP-FOTOS(3): ANDREAS BRETZ ?? Sie liebt die Atmosphäre und das Licht der Räume: die Fotografin Maren Heynen in ihrem Wohnzimmer.
RP-FOTOS(3): ANDREAS BRETZ Sie liebt die Atmosphäre und das Licht der Räume: die Fotografin Maren Heynen in ihrem Wohnzimmer.
 ??  ?? Das ehemalige Landgerich­t in Kaiserswer­th wurde 1709 gebaut und steht seit langem unter Denkmalsch­utz.
Das ehemalige Landgerich­t in Kaiserswer­th wurde 1709 gebaut und steht seit langem unter Denkmalsch­utz.
 ??  ?? Kunst im Grünen: eine Stahl-Skulptur von Friedrich Werthmann, ist draußen zu sehen. Der Künstler hat das alte Haus vor 60 Jahren entdeckt.
Kunst im Grünen: eine Stahl-Skulptur von Friedrich Werthmann, ist draußen zu sehen. Der Künstler hat das alte Haus vor 60 Jahren entdeckt.
 ?? FOTO: HARTMUT WITTE ?? Friedrich Werthmann starb vor vier Wochen.
FOTO: HARTMUT WITTE Friedrich Werthmann starb vor vier Wochen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany