Rheinische Post

„Löw und ich sind Teil des Problems“

In einem Interview hat Oliver Bierhoff darüber nachgedach­t, ob es nicht besser gewesen wäre, Mesut Özil daheim zu lassen. Die Reaktionen darauf haben den Nationalma­nnschafts-Direktor offenbar überrascht.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Am Wochenende ist Oliver Bierhoff auf Wiedergutm­achungstou­r gegangen. In den Fernsehstu­dios der Republik entschuldi­gte er sich für ein „Missverstä­ndnis“, das sein Interview mit der „Welt“hervorgeru­fen habe. In dem Gespräch hatte der Nationalma­nnschafts-Direktor gesagt: „Wir haben Spieler bei der deutschen Nationalma­nnschaft nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen. Das ist uns bei Mesut nicht gelungen. Und insofern hätte man überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet.“Mesut Özil hatte sich geweigert, eine Erklärung zu seinem Fototermin mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan abzugeben. Bierhoffs Äußerung im Interview wurde überwiegen­d als der Versuch begriffen, sich in Özil einen billigen Sündenbock für das peinliche Ausscheide­n in derWM-Vorrunde zu schaffen, und sich selbst aus der Schusslini­e zu bringen.

Damit scheint ausgerechn­et der mediengewa­ndte Manager Bierhoff nicht gerechnet zu haben. In seinen

„Wir sind da in der Verantwort­ung, Jogi und ich“Oliver Bierhoff Nationalma­nnschafts-Direktor

Rechtferti­gungsversu­chen vomWochene­nde geht es ihm vor allem um den Eindruck, er habe die Folgen seines Interviews nicht bedacht. „Es tut mir leid“, sagte er, „ich habe mich da falsch ausgedrück­t.Was ich sagen wollte, war: Wenn wir auf ihn verzichten, dann nicht aus dem Grunde heraus, dass dieses Foto entstanden ist, sondern aus sportliche­n Gründen. Aber wir haben uns für ihn entschiede­n, und dazu stehen wir auch. Es sollte keine Aussage im Nachhinein sein, dass wir auf ihn hätten verzichten sollen.“

Ebenso überrascht ist Bierhoff, „dass in alles etwas hineininte­rpretiert“werde. Das glaubt er allerdings nicht einmal selbst. Denn er weiß, wie eine Debatte in der Öffentlich­keit geführt wird, und er kennt die Macht des Worts. Deshalb war es sicher kein Zufall, wie er sich zum Thema Özil geäußert hat. Der Sturm der Entrüstung, der dem Manager nun vor allem in den sozialen Medien entgegenwe­ht, hat ihn offenbar dazu veranlasst, sich sozusagen von sich selbst zu distanzier­en. Das hört sich nicht nur seltsam an, das passt auch nicht zu Bierhoff. Möglicherw­eise ist er von den Gremien des DFB zu einer Richtigste­llung gedrängt worden.

Damit könnte auch erklärt werden, dass Bierhoff jetzt bereit ist, sich selbst und Bundestrai­ner Joachim Löw als„Teil des Problems“zu bezeichnen. Das war ihm in den ersten Tagen nach dem schnellen Abschied aus dem WM-Turnier noch nicht unterlaufe­n. Dieses Schuldeing­eständnis bleibt jedoch vage, von einer Analyse der Gründe für das unvorherse­hbare Scheitern desWeltmei­sters kann elf Tage nach dem 0:2 gegen Südkorea noch keine Rede sein. „Es ist komplex“, sagte Bierhoff im ZDF.

Das ist es gewiss. Es kann ja nicht sein, dass allein Özils Verweigeru­ngshaltung, Sami Khediras bemerkensw­erte Formschwäc­he oder die taktischen Fehler der Mannschaft für sich genommen Gründe für das Scheitern sind. Da kommt viel mehr zusammen. Unter an- derem Führungssc­hwäche in der sportliche­n (Löw) und administra­tiven Leitung (Bierhoff ).

Löw muss sich vorhalten lassen, viel zu spät auf offensicht­liche Missstimmu­ng und lodernde Feu- er in den sozialen Beziehunge­n der Mannschaft reagiert zu haben. Bierhoff muss mit dem Vorwurf leben, im ganzen Marketing-Theater einen Entfremdun­gsprozess der Spieler von der Öffentlich­keit, ja von der Welt, fortgeschr­ieben zu haben, der ihm nun auf die Füße fällt. Insofern stimmt es, dass Löw und Bierhoff Teile des Problems sind. Für so manchen sind sie das eigentlich­e Problem.

Das muss Bierhoff in diesen Tagen bewusst geworden sein. Löw hat sich öffentlich dazu noch nicht geäußert. Die „Süddeutsch­e Zeitung“zitiert aus der Sitzung mit den DFB-Gremien, in der vergangene­n Dienstag beschlosse­n wurde, dass Löw im Amt des Bundestrai­ners bleiben soll. Das Gesicht der Mannschaft, habe der Coach gesagt, werde sich wandeln, aber er habe keinen Spielernam­en genannt. Ausdrückli­ch aber habe er festgestel­lt: „Oliver Bierhoff ist mein wichtigste­r Mann.“

Der DFB scheint finster entschloss­en, diese Schicksals­gemeinscha­ft in ihrem Wirken zu bestätigen. Für Bierhoff ist das ein Teil seiner Wiedergutm­achungstou­rnee, die nicht bei Erklärunge­n zu Erklärunge­n in Interviewp­assagen über Özil endet. „Wir haben 14 Jahre Applaus bekommen“, erklärte der Manager, „da kann man sich nicht so leicht vom Acker machen, wenn es einmal schlecht war. Wir sind da in der Verantwort­ung, an erster Stelle Jogi und ich.“Es gibt Menschen, die halten genau das für das zentrale Problem: Dass Bierhoff und Löw allein darüber entscheide­n, wann ihre Mission beendet ist. Das wiederum hat der DFB so entschiede­n.

 ?? FOTO: AP ?? Bundestrai­ner Jogi Löw (l.) und Oliver Bierhhoff während einer Trainingse­inheit des DFB-Teams in Watutinki in der Nähe von Moskau. Einen Tag zuvor hatte „Die Mannschaft“ihr Auftaktspi­el gegen Mexiko mit 0:1 verloren.
FOTO: AP Bundestrai­ner Jogi Löw (l.) und Oliver Bierhhoff während einer Trainingse­inheit des DFB-Teams in Watutinki in der Nähe von Moskau. Einen Tag zuvor hatte „Die Mannschaft“ihr Auftaktspi­el gegen Mexiko mit 0:1 verloren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany