Pferde sind Menschenversteher
DÜSSELDORF Pferde begleiten den Menschen seit mindestens 5500 Jahren. In dieser Zeit haben sie den Zweibeiner immer besser zu verstehen gelernt. Wie gut, das belegt jetzt eine Studie der Universität Tokio. Demnach sollten wir gar nicht erst versuchen, dem Pferd etwas vorzuspielen.
Das japanische Forscherteam zeigte insgesamt 19 Testpferden jeweils die Portraitfotos von vertrauten und fremden Menschen, die entweder mit fröhlichem oder wütendem Gesichtsausdruck in die Kamera schauten. Unmittelbar danach hörten die Tiere aus einem Lautsprecher, wie diese Person zu ihnen sprach. Und zwar ebenfalls in einem fröhlichen oder wütenden Tonfall, nur dass dieser sich nicht immer mit der Stimmung des vorher gezeigten Fotos deckte. Es passierte also gelegentlich, dass dem wütenden Gesicht eine fröhliche Stimme und dem fröhlichen Gesicht eine wütende Stimme folgte.
Im Falle eines solchen Widerspruchs zeigten sich die Tiere sichtbar irritiert. Es dauerte dann nämlich nur die Hälfte der Zeit, bis sie in Richtung Lautsprecher blickten – und das taten sie anschließend 1,4 Mal so lange wie sonst. „Solche Verhaltensmuster sind typisch dafür, dass Pferde überrascht sind und etwas anderes erwartet haben “, erläutert Studienleiter Kosuke Nakamura.
Für den japanischen Verhaltensforscher sind die überraschten Reaktionen der Pferde ein sicherer Hinweis darauf, dass sie gleich auf mehreren Wegen Rückschlüsse auf die Stimmung des Menschen ziehen können. Nämlich durch die Analyse des Gesichtsausdrucks, die Analyse der Stimmlage und schließlich auch durch das Zusammenfügen und Abgleichen der beiden.
„Pferde verfügen über ein cross-modales Gedächtnis“, be- tont Nakamura, „und sie wissen es für das bessere Verständnis des Menschen zu nutzen“. Was einerseits untermauert, wie eng die Beziehung der beiden ist, nämlich ähnlich eng wie das Verhältnis von Hund und Mensch. Und andererseits zeigt die Studie, wie intelligent Pferde sind und dass sie ziemlich weit entfernt sind vom „dummen Gaul“, der ihnen manchmal untergeschoben wird.
Wie klug Pferde sind, dokumentiert eine andere Studie aus Japan, diesmal stammt sie von der Universität Kobe. Dort ließ man Pferde beobachten, wie jemand außerhalb ihres Gatters einen Haufen Möh- ren in einem Eimer versteckte. Als dann später ihr Pfleger kam, stupsten sie diesen immer wieder an, und sie zeigten mit ihrem Kopf in Richtung Eimer. Sie forderten also ihren zweibeinigen Gefährten zur Mithilfe auf; und das umso stärker, wenn sie wussten, dass der das Möhrenversteckspiel nicht gesehen hatte. „Pferde können also ihr Kommunikationsverhalten daran anpassen, ob ein Mensch etwas weiß oder nicht“, erklärt Studienleiterin Monamie Ringhofer. Unter den Vertretern des Homo sapiens gibt es nicht wenige, die in dieser Hinsicht möglicherweise von den Pferden lernen könnten.